Das Washington-Dekret: Thriller (German Edition)
Mann geworden, der breit lächelnd den Arm um die Schulter seines »großen Bruders« legte. Eine lächerliches Märchen, ein billiger Propogandatrick.
Sirenen und Blaulicht holten Doggie in die Wirklichkeit zurück. Vorsichtig lehnte sie sich ein wenig zum Fenster hinaus, doch sie sah nichts als eine Horde schwarzer Jugendlicher, die sich gegenseitig anrempelten. Einer von ihnen sah zu ihr herauf und machte sofort eindeutige Beckenbewegungen. Ihre Verwandlung war offenbar glaubwürdig.
Sie zog sich wieder in die Küche zurück. Auf dem Bildschirm war jetzt ein Foto von ihr zu sehen, das sie noch als hübsche, gepflegte Blondine zeigte. Man hatte eine Belohnung ausgesetzt für Hinweise, die zu ihrer Ergreifung führten. Es hieß, sie sei gefährlich und unberechenbar. Dann wurde eine Fendi-Tasche gezeigt. Genau so eine hatte Doggie sich vor fünf Jahren gekauft und niemandem verraten, wie viel sie gekostet hatte. Ein Polizeibeamter hielt sie in die Kamera und bezeichnete Doggie als »Staatsfeindin«.
Doggie wurde ganz flau und schwindelig.
Dann zeigte man weitere Bilder von Personen, die von den Behörden gesucht wurden. Zu jedem Namen gab es ein paar grundlegende Informationen. Doggie kannte einige davon, wie den früheren Vizepräsidenten Michael K. Lerner und andere renommierte Politiker, die untergetaucht waren, aber unter den Gesuchten waren auch Geschäftsleute aus Industrie, Handel und Energie sowie viele, viele andere. Man legte ihnen gravierende Dinge zur Last, doch die eigene leidvolle Erfahrung zeigte Doggie, dass die allermeisten dieser Vorwürfe schlicht gelogen sein mussten. Wenn man diese Personen ergriff – und das war bei den hohen Belohnungen höchst wahrscheinlich –, sah es wirklich schlimm für sie aus. Das galt auch für sie selbst.
Hier saß sie nun in Rosalies grasgrüner Küche in einer armseligen Wohnung in der Bronx. Wie eine Schiffbrüchige auf einer winzigen, von Haien umzingelten Insel fühlte sie sich, mutterseelenallein. Wenn sie wenigstens wüsste, ob T. Perkins inzwischen weitergekommen war! Aber so hatte sie keine Ahnung, ob es überhaupt noch einen Funken Hoffnung gab. Isoliert und weit weg von der kargen Zelle, in der ihr Vater auf seinen Henker wartete, war sie zum Nichtstun verdammt.
Noch ist die Zeit nicht um, also reiß dich gefälligst zusammen, Doggie! Aber langsam gingen ihr die Ideen aus. Es gab im Fall ihres Vaters viele Widersprüche und Ungereimtheiten. Doch an wen konnte sie diese Einsichten weitergeben? Unabhängige Medien gab es nicht mehr und auch keine Behörden, die man auf die Unstimmigkeiten aufmerksam machen konnte. Kein Anwalt des Landes wäre daran interessiert, die Mauer der Ungerechtigkeit und Apathie einzureißen. Ihr blieben nur noch ihre Freunde, und auch deren Zahl war gewaltig geschrumpft.
Sie holte Ollie Boyce Hensons antikes Handy hervor und rief im Büro des Sheriffs von Highland County an.
Eine äußerst wortkarge Dame nahm ab. Wer denn bitte am Apparat sei, wollte sie wissen. Sie heiße Doggie. Darauf entgegnete die andere, es täte ihr sehr leid, aber sie könne nicht mit T. Perkins sprechen, weil er sich zwei Tage frei genommen habe. Und auf seinem Handy könne sie ihn auch nicht erreichen, weil das in Einzelteilen auf einem Acker vor den Toren der Stadt läge, wie man ihr mitgeteilt habe.
Doggie runzelte die Stirn. T.s Handy war also kaputt. Das erklärte einiges.
Dann fragte die Dame, ob Doggie eine Nummer habe, auf der Sheriff Perkins sie erreichen könne, falls er sich doch noch mal im Büro melden würde? Erst wollte Doggie Ja sagen, doch dann besann sie sich. Sie wollte auf keinen Fall eine Fährte auslegen.
Rosalies Söhne kamen kurz vor ihrer Mutter nach Hause und legten keineswegs die demütige Haltung heimkehrender Sünder an den Tag, die ihre Freiheit einzig und allein dem unermüdlichen Kampf und unverwüstlichen Selbsterhaltungstrieb ihrer Mutter zu verdanken hatten. Auf einmal standen sie mit ihren Baseballkappen und ihren XXL-Hosen in der Wohnung und glotzten Doggie an.
Ihre Blicke lösten sich erst von Doggies Brüsten, als auch Rosalie Lee in die Wohnung stürzte.
»Doggie! Doggie! O mein Gott, Süße, du ahnst es nicht!« Sie warf die Tasche auf den Küchentisch und setzte sich keuchend auf einen der Hocker. »In sämtlichen New Yorker Polizeiwachen hängt dein Bild – du gehörst zu den meistgesuchten Verbrechern Amerikas! O mein Gott … Fünfundzwanzigtausend Dollar Belohnung haben sie auf deine Ergreifung
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