Das Washington-Dekret: Thriller (German Edition)
das im Wahlkampf oft thematisiert, sodass wir alle seinen familiären Hintergrund kennen. Wer hat nicht schon in einem der Drugstores eingekauft, die den Namen des Jansen-Clans tragen? Aber alles in allem macht das skandinavische Blut in Jansens Adern doch nur einen Tropfen in einem Meer von englischem, irischem und schottischem Blut aus, das seit Anfang des achtzehnten Jahrhunderts seine Familie veredelt hat. Und deshalb können wir alle, auch die alten Ostküstenfamilien, Jansen die Arroganz des einen Tropfens skandinavischen Bluts vergeben und darüber lachen. Denn alles, was Jansen anfasst, macht er mit Wissen und Verstand, aber auch mit Humor und Talent, und dafür lieben wir ihn.
Der Bruder unseres gegenwärtigen Präsidenten wird, trotz einigermaßen guter Ergebnisse und großer Unterstützung während seiner Amtszeit als Gouverneur von Florida, der enormen Beliebtheit, die Jansen und seine wunderbare Ehefrau im ganzen Land genießen, nichts entgegenzusetzen haben. Jansen hat die Wähler wie im Sturm erobert, und die Sympathien für diesen Mann, der vor Jahren auf so tragische Weise seine erste Frau verlor und in dessen Präsidentschaft endlich wieder kleine Füße durch das Weiße Haus tapsen werden, sind gewaltig.«
Neben ihm stand Wesley Barefoot, wie immer lächelnd und perfekt gekleidet. Bugatti wandte sich ihm zu. »Wesley Barefoot, Sie kennen Bruce Jansen seit seiner Chinareise vor sechzehn Jahren. Haben Sie selbst in Jansen während all der Jahre den möglichen Präsidentschaftskandidaten gesehen? Und wenn ja, haben Sie dann einen Präsidentschaftskandidaten erlebt, der sich weiterentwickelt hat?«
Wesley schüttelte den Kopf. »Bei Bruce Jansen ist man nie im Zweifel, wen man vor sich hat. Er ist der geborene Präsident. Mir ist noch nie ein Mann mit vergleichbar großem Interesse für das Wohl und Wehe seines Landes begegnet, und ich kann ohne Zögern sagen, dass dieses Interesse bei ihm schon immer bestanden hat. Selbstverständlich findet über einen so langen Zeitraum hinweg eine persönliche Entwicklung statt. Aber letztendlich hat nichts von dem Rummel, den Wahlkämpfe und die Aufmerksamkeit der Medien nun mal mit sich bringen, etwas an Bruce Jansens grundsätzlichen Einstellungen zum Leben und zu den politischen Fragestellungen geändert. Nicht im Geringsten.«
»Und der Mord in Peking, hat der auch nichts geändert?«
Barefoot schwieg einen Moment und sah wie erwartet zu Boden. Bugatti hatte ihn vorher gewarnt, dass die Frage kommen würde.
»Caroll Jansen war das Ein und Alles des damaligen Senators. So etwas verwindet man nie. Das, was damals geschehen ist, war entsetzlich.« Er blickte auf, und Bugatti nickte.
»Aber Trauer lässt die Seele reifen«, sagte Barefoot. »Vielleicht müssen wir Caroll Jansens unglücklichem Schicksal danken, wenn wir das unermüdliche Engagement des Senators gegen Übergriffe, Gewalt und Not betrachten. Ich glaube sogar, dass durch das, was damals geschah, die ganze Nation verändert wurde.« Er wandte den Blick zur Kamera. »Doch Bruce Jansen ist ein Mann, der stets einen kühlen Kopf bewahren wird – komme, was da wolle. Er ist ein Garant für Stabilitätund Gerechtigkeit und der Inbegriff von Glaubwürdigkeit. Das wird das Fundament der Politik der nächsten Jahre sein.« Er deutete direkt in die Kamera. »Darauf können Sie sich verlassen!«
Bugatti lächelte. Die Wahllokale hatten noch nicht geschlossen, und das war Bruce Jansens Chefagitator offenbar sehr bewusst. Dieses Interview könnte durchaus noch die eine oder andere Wählerstimme bringen.
Er dankte Barefoot, und mit Blick in die Kamera sagte er:
»In einer halben Stunde schließen hier an der Ostküste die Wahllokale. Und in einer Stunde können wir anfangen, darüber zu spekulieren, was uns die künftigen vier Jahre bringen werden. Im Moment warten wir darauf, dass Bruce Jansens Hubschrauber trotz Schneesturms und schlechter Sichtverhältnisse in etwa zwei Stunden hier am Strand vor dem Splendor Hotel landen wird.« Lächelnd deutete er zur Eingangshalle des Hotels. »Vor dem Hotel warten bereits ungefähr zweihundert Vertreter der Presse, um ihn und seine hochschwangere Frau in Empfang zu nehmen. Mimi Jansen ist seit zehn Tagen über dem Termin, das Kind kann also jederzeit kommen.«
Bugatti wandte sich dem nächsten Interviewpartner zu, einem hiesigen Meteorologen. Der äußerte sich besorgt über die katastrophenähnlichen Zustände mit vielerorts einem halben Meter Schnee und
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