Das Washington-Dekret: Thriller (German Edition)
kompromittierend,denn es waren die Stimmen des Präsidenten und des englischen Premierministers. Die ins Panzerglas des Oval Office eingebauten Mikrofone funktionierten hervorragend. Fast hätte man meinen können, dem Gespräch selbst beizuwohnen.
Sunderland drehte sich um, blass vor Wut. Aber die Hand, mit der er das Gerät ausschaltete, war ruhig.
»Kane, gehen Sie rein und halten Sie das Videogerät an.« Er wartete einen Augenblick, dann wandte er sich Wesley zu.
»Wissen Sie etwas von dem hier?«
Wesley vermied es, Burton anzusehen. »Nein.«
»Das will ich auch nicht hoffen, aber wir werden es herausfinden. Sie sagen also, Sie wüssten nichts von dieser Anlage?«
»Nein, und ich bin sehr überrascht und empört.« Jetzt sah er Burton direkt an, der den Blick gesenkt hatte und damit Wesley den Verrat erleichterte. So war Lance Burton.
»Aber Sie wussten von der Abhöraktion?«
»Der ehemalige Vizepräsident Lerner war ja so freundlich, uns davon zu berichten. Aber ich wusste nicht, dass die Apparate hier stehen, und schon gar nicht, dass man das Oval Office abhört. Geschieht das denn auf Anweisung des Präsidenten selbst?«
Sunderland antwortete nicht, sondern sah hinüber zu Ben Kane, der gerade zurückkam. Sie nickten sich zu. Also waren die Apparate ausgeschaltet. Kane trat zu Sunderland und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Wesley konnte sich schon denken, worum es ging.
»John Bugatti sitzt in Ihrem Büro?«
»Ja.«
»Sie wissen, dass nach ihm gefahndet wird?«
»Ja.«
»Er verbreitet Gerüchte über mich.«
»Das wusste ich nicht. Gerüchte welcher Art?« Wesley sahSunderlands Augen, verschlagen, machtgierig. Sunderland antwortete nicht, nickte aber Kane zu, der sofort Burton am Arm packte und vom Stuhl hochzog.
»Wir kommen später darauf zurück, Wesley. Und Kane, du bringst den Stabschef in den Krisenraum. Sorg dafür, dass er scharf bewacht wird, ja? Und komm so schnell es geht zurück.«
Stabschef Lance Burtons Miene verriet nicht, was in ihm vorging. Würdevoll verließ er den Raum, ein Delinquent auf dem Weg zum Schafott, der weiß, was er getan hat. Und der dazu steht. Von ihm hatte Wesley nichts zu fürchten, er würde schweigen.
»Wesley, Sie bleiben hier.«
Dann rief Sunderland zwei der Sicherheitsbeamten von der anderen Seite des Gangs. »Barefoot bleibt in Burtons Büro, bis ich Ihnen andere Anweisungen gebe, klar?«
Dann schlossen sie die Tür und ließen ihn mit seinen Gedanken und der Verantwortung allein, die Lance Burton ihm einen Tag zuvor übertragen hatte. Einer viel zu großen Verantwortung. Wieder einmal wünschte er, er hätte sich damals, als noch Zeit war, entschlossen, auszusteigen.
Wesley öffnete die Tür zum Überwachungsraum und fand das Relais, um die Maschine anzuwerfen. Erst war das Bild leicht grau, aber dann lief die Übertragung einwandfrei. Er betätigte den Umschalthebel und begann, zwischen den verschiedenen Kameras zu wechseln, erst zur Kamera in der leeren Lobby, dann zu zwei verschiedenen Kameras, die Sunderland beim Betreten des Roosevelt Room zeigten. Wesley klickte weiter und sah die Wachen vor der Tür des Stabschefs, wenige Schritte von ihm entfernt, und er sah die Wachen, die vor seinem eigenen Büro standen und Bugatti bewachten. Er beobachtete, wie Bugatti ruhelos auf und ab ging. Ganz offenkundig machte die Ohnmacht ihm mehr zu schaffen als die Furcht. Dann wechselte er wieder zum Roosevelt Room, wo Sunderland die englische Delegation empfing. Eine Weilewirkte die Begegnung fast herzlich, aber dann veränderten sich die Mienen und wurden ernst, ja geradezu erschüttert.
Wesley suchte nach dem Lautstärkeregler und fand ihn in dem Moment, als Sunderland den Briten ein graues, unscheinbares Heft reichte.
»Ich hab hier alles notiert«, hörte er Sunderland. »In diesem Buch finden Sie alles über die Vergehen des amtierenden Präsidenten. Sie werden Beweise dafür finden, was er Tag für Tag seinem Land zugefügt hat. Ich bitte darum, Premierminister Watts dieses Heft zu übergeben und den Inhalt zu veröffentlichen, sobald Sie das Weiße Haus verlassen. Aber bitte halten Sie meinen Namen zunächst heraus. Es ist nicht absehbar, wann wir den Präsidenten absetzen können, aber bis dahin ist unser aller Leben bedroht. Er ist nicht mehr zurechnungsfähig, doch er ist durch die Verfassung geschützt. Amerika braucht Ihre Unterschtützung. Ich riskiere mein Leben dafür, dass die Wahrheit ans Licht tritt.«
Wesley war fassungslos.
Der
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