Das Washington-Dekret: Thriller (German Edition)
dabei, sich aus der Asche zu erheben – das war jedenfalls Wesleys Eindruck.
Bruce Jansen hatte eine Vision gehabt und auf dem Weg zum Ziel schwerwiegende Fehler begangen. Sein Nachfolger aber verstand es, die positiven Aspekte zu übernehmen und in dieser schweren Zeit für sie zu kämpfen. Natürlich regte sich auch Widerstand gegen Lerner, aber er schaffte es. Die Menschen arbeiteten hart, die Arbeitslosigkeit nahm immer weiter ab, die Wirtschaft erholte sich. Viele konnten ihre Angehörigen wieder in die Arme schließen, so auch Wesleys Sekretärin Eleanor. Recht und Ordnung waren wiederhergestellt, und einige Gefängnisse standen noch immer leer.
Inzwischen berieten sogar beide Kammern ernsthaft über eine Reform des Waffengesetzes und die Verabschiedung einer verantwortlichen Waffenpolitik. Auch das ging natürlich nichtohne Konflikte vonstatten, aber immerhin fand eine offene Diskussion statt, und das zu einem Zeitpunkt, der günstiger kaum sein konnte. Jetzt, wo das ganze Land im Großen und Ganzen entwaffnet war und das Bedürfnis, sich zu verteidigen, genauso nachgelassen hatte wie die Angst.
Das Wort »Systemwechsel« wurde nie benutzt, weil es nur Feinde geschaffen hätte, doch nach Wesleys Ansicht war es das einzig passende. Man spürte es so deutlich, wenn man sich durch die Straßen bewegte. Man fühlte sich sicher. Die Ghettos und die alten heruntergekommenen Viertel hatten sich geöffnet. Das Fernsehen zeigte von Tag zu Tag weniger Schreckensgeschichten. Die Soldaten waren heimgekehrt, und die Welt sah verwundert zu.
Wesley ließ sein Haar vom Wind zerzausen. Seit gut zwei Monaten waren Doggie und er jetzt ein Paar, und allmählich schmiedeten sie Pläne. Und die fielen so ganz anders aus als alles, was sie sich jemals vorgestellt hatten. Bud Curtis wollte nicht mehr arbeiten, er wolle jetzt das Leben genießen, hatte er gesagt. Wenn Wesley und Doggie die Hotelkette übernähmen, würde ihn das sehr freuen. Darüber mussten sie erst mal nachdenken.
»Ist das schön hier«, stellte Rosalie fest.
»Ja«, bestätigte Doggie und legte den Kopf in den Nacken.
»Da drüben angelt einer von euren Landsleuten«, rief ein Crewmitglied und zeigte zu einem Segelboot, das vor einer Insel lag. »Er legt nie im Hafen an, heißt es. Liegt immerirgendwo hier draußen und hält die Angelschnur ins Wasser.«
Die Besatzung lachte, man fand ihn wohl wunderlich. Aber Wesley konnte ihn gut verstehen.
Sie deuteten voraus auf eine Bucht mit ganz neuer Hafenanlage, während sie am Boot des Amerikaners vorbeirauschten, an dessen Bug »Bukowski – Costa Rica« stand. Sie winktenihm zu, aber er sah sie nicht, hatte den Hut tief ins Gesicht gezogen.
Jetzt konnten sie die Palmen auf der Insel sehen und auf einer Anhöhe auch das Haus. Vielleicht war es nicht ganz so groß, wie sie erwartet hatten.
Am Kai standen die grau gekleideten Secret-Service-Agenten und erwarteten sie.
»Ich glaube, Präsident Jansen ist so weit, Sie zu empfangen. Er hat sich sehr auf Ihre Gesellschaft gefreut«, sagte der Dienstbote und geleitete sie durch mehrere Zimmer. Die Farbenpracht überraschte sie – jadegrüne japanische Lackkisten, persische Wandteppiche in blau und gelb. Von draußen drangen der Duft von Blumen herein und das beruhigende Rauschen des Meeres.
Vor einer doppelflügeligen, massiven Kampfertür mit symbolreichen Schnitzereien mussten sie warten. Von der anderen Seite konnten sie deutlich seine Stimme hören.
Rosalie lächelte, und Doggie drückte Wesleys Hand.
»Seine Stimme klingt doch gut, oder? Gar nicht wie von jemandem, der seines Landes verwiesen worden ist«, flüsterte Rosalie.
Jansens Stimme kam näher. »Herzlich willkommen!« Er öffnete beide Türflügel weit. »Bitte, kommt doch herein in mein Exil«, sagte er erstaunlich gedämpft und breitete die Arme aus. »Das ist mein St. Helena.« Er war braun gebrannt und wirkte ausgeschlafen, aber seine Augen strahlten nicht mehr. Die Explosion hatte nur einige wenige weiße Narben in seinem Gesicht hinterlassen. Die Narben in seiner Seele waren sicher größer.
Er nahm T. Perkins und Rosalie in den Arm und dankte ihnen für ihr Kommen. »Ich habe mich wirklich auf euch gefreut. So viel Besuch bekomme ich hier ja nicht, wie ihr euch vorstellen könnt.« Er lächelte.
Als Doggie vor ihm stand und ihm die Hand reichte, verharrte er einen Moment und sah ihr in die Augen. Als müsse er sich erst einmal sammeln. Dann neigte er den Kopf zur Seite und nahm sie in
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