Das Washington-Dekret: Thriller (German Edition)
Grund in einem föderalen, also nach Bundesrecht geführten Prozess die Todesstrafe fordern. Im Falle einer Verurteilung würde Bud Curtis vom Bezirk Columbia, wo keine Hinrichtungen mehr stattfanden, ins Staatsgefängnis in Indiana überführt und dort hingerichtet werden.
Was bei Timothy McVeigh, dem Bombenleger von Oklahoma City, funktioniert hatte, würde auch bei Bud Curtis funktionieren, sagte Deloitte. Und die Verteidiger waren keinen Schritt weiter gekommen.
Sie suchten Bud Curtis in seiner vier mal fünf Meter großen Zelle der Untersuchungshaftanstalt von Richmond auf und informierten ihn über den Stand der Dinge.
Bud Curtis reagierte gefasst. Einen Moment lang überlegte er, was jetzt zu tun sei, dann bat er seine Verteidiger, der Staatsanwaltschaft mitzuteilen, er wolle nun doch in Richmond vor Gericht gestellt werden. Ihm sei es lieber, wenn ihm dort der Prozess gemacht wurde, wo alle seine Freunde und Verwandten lebten.
Zwei der Verteidiger listeten ihm die Namen der Richter auf, mit denen sie es in Virginia zu tun bekommen könnten, und das waren keine rosigen Aussichten. Dagegen würde dem Prozess in Washington, D. C., vermutlich eine gewisse Marsha W. Tanner vorsitzen, die schon des Öfteren bei komplizierten Indizienprozessen enorme Urteilskraft bewiesen hatte. Eine strenge, gnadenlose, aber gerechte Frau, die sich weder vonder Staatsanwaltschaft noch von der Verteidigung an der Nase herumführen ließ.
Die Entscheidung sollte einem nicht schwerfallen, wenn einem sein Leben lieb war. Marsha Tanner war eindeutig die bessere Wahl.
Bud Curtis bat um eine Stunde Bedenkzeit. Dann erklärte er, er sei unschuldig. Aus einer Reihe von Gründen wolle er sich nicht länger dagegen wehren, dass der Prozess in Washington nach Bundesrecht geführt werde. Sollte er so unglücklich und ungerecht ausgehen, dass man ihn zum Tode verurteilte, wollte er aber darauf bestehen, dann nach Virginia überführt und dort hingerichtet zu werden. Diesen Deal mit der Staatsanwaltschaft verlangte er seinen Verteidigern ab. Wenn er schon sterben müsse, dann lieber dort als in Indiana, erklärte er.
Curtis’ Verteidiger rieten ihm von einer solchen Bitte ab, die ihrer Meinung nach wie ein blankes Schuldeingeständnis wirken musste. Doch Curtis blieb hart. Seine Verteidiger versuchten, ihn zur Vernunft zu bringen, aber Curtis gab nicht nach und rief schließlich die Wärter, um sich in seine Zelle zurückbringen zu lassen.
Bud Curtis’ Verteidiger beschlossen, Doggie über den Verlauf der Gespräche zu informieren. So wurde sie erstmals direkt mit dem Prozess gegen ihren Vater konfrontiert.
Seit ihr Vater verhaftet worden war, hatte Doggie weder Kraft noch Lust gehabt, mit ihm in Kontakt zu treten, und jetzt riefen seine Anwälte an und teilten ihr Dinge mit, von denen sie am liebsten gar nichts wissen wollte. Sie setzten sie auch davon in Kenntnis, dass man für sie als Tochter bezüglich der Besuchszeiten eine Ausnahmegenehmigung erwirkt habe: Sie könne ihren Vater jeden Tag und zu jeder Zeit besuchen. Man wisse schließlich, dass Doggie durch ihre Arbeit im Weißen Haus zeitlich sehr beansprucht sei. Allerdings erwarteten sie,dass Doggie auf ihren Vater einwirkte und ihn von ihrer neuen Strategie überzeugte, einen Prozess nach Bundesrecht in einem Bundesstaat ohne Todesstrafe zu beantragen. Von denen gab es ja zum Glück genug – West Virginia zum Beispiel, das sei doch beinahe schon Heimat für Curtis. Sie hofften, Doggie könnte ihren Vater davon überzeugen, dass dies der einzig richtige Weg war. Das Tauziehen mit der Staatsanwaltschaft würde zwar trotzdem nicht zu vermeiden sein, aber mit diesem Manöver konnte der Prozess in die Länge gezogen werden, und bei der gegenwärtigen Beweislage könnte es von Vorteil sein, wenn zwischen dem Mord und dem Urteilsspruch so viel Zeit wie möglich lag, erklärten die Anwälte. Dann könne man sich am Schluss immer noch für Washington, D. C., entscheiden.
Niemand fragte Doggie, wie es ihr eigentlich ging, und wenn man sie gefragt hätte, hätte sie nicht gewusst, was sie antworten sollte. Sie hatte das Gefühl, zwischen sämtlichen Stühlen zu sitzen. Die Indizienlage war äußerst belastend. Zig Mal verfluchte sie ihren Vater und wünschte, er möge in der Hölle schmoren, dann wieder starrte sie apathisch Löcher in die Luft.
Nur nachts, kurz vor dem Einschlafen, fest eingewickelt in ihre Decke, hatte sie ein anderes Bild ihres Vaters vor Augen. In diesen Momenten
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