Das Washington-Dekret: Thriller (German Edition)
hatte sie überhaupt erst wieder einen Vater. In diesen Momenten war noch nichts bewiesen, und nichts Böses hatte sich zwischen ihnen ereignet. Aber wirklich nur in diesen Momenten.
In dieser Gemütslage fuhr sie schließlich an einem eisigen Freitagnachmittag zu ihrem Vater. Sie wollte ihm ausrichten, worum die Anwälte sie gebeten hatten, und ihm dann den Rest überlassen. Mehr konnte man von ihr nicht verlangen.
Ihr Vater hatte abgenommen, er war blass und still, lächelte sie aber mit seinem unverkennbaren, verwegenen Augenzwinkern an. Als sie ihn so sah, mit zurückgekämmten, gegelten Haaren, in der frisch gebügelten, orangefarbenen Häftlingskleidung,war sie bis ins Innerste erschüttert. Ganz gleich, wie wütend sie auf ihn war, dieser Anblick zerriss ihr das Herz: hilflos und mutterseelenallein in einem eiskalten, von Neonröhren beleuchteten Raum, die Arme in Handschellen auf dem Rücken, zwischen den Füßen eine Kette. Das war doch menschenunwürdig.
Die Wärter baten sie, sich ihrem Vater gegenüber an den Tisch zu setzen, dann zogen sie sich ein paar Schritte zurück und taten unbeteiligt. Aber abgesehen von dem schrecklichen Dachmörder in New York war der Mord an Mimi Todd Jansen das beherrschende Gesprächsthema im ganzen Land. Doggie war sich darüber im Klaren, dass man ihnen hier zuhörte, denn sonst hätte man sie in einen der Glaskästen zwanzig Meter weiter gesetzt.
Sie nickte ihrem Vater zu und bemühte sich, sein Lächeln zu erwidern. Ihr Hals war wie zugeschnürt. Nachdem sie eine Weile geschwiegen hatten, fragte ihr Vater, warum sie nun doch noch gekommen sei.
Sie senkte den Blick und erklärte ihm, dass seine Anwälte sie darum gebeten hätten. Dann sagte er, das sei schon in Ordnung, und dabei sah er sie so sanft an, dass sie es als Vorwurf empfand. Sie schüttelte den Kopf. Ihr Vater hatte sie dazu gebracht, dem Präsidenten vorzuschlagen, den Wahlabend im Splendor Resort Hotel zu verbringen, und dieser verdammte, zurückgebliebene Angestellte von ihm hatte das damit quittiert, dass er Mimi Todd Jansen abknallte. Schuld hin oder her, sie hasste ihren Vater dafür, dass er sie benutzt hatte. Seinen sanften Blick konnte er sich sparen, schließlich war sie kein kleines Mädchen mehr, das er gleich zärtlich an den Zöpfen ziehen konnte. Sie schluckte und sah auf die Armbanduhr. Im selben Moment nickte der kleinste der Wärter. Sie mussten sich kurz fassen.
Sie unterbreitete ihrem Vater den Wunsch seiner Verteidiger, den Prozess in West Virginia zu führen, wo es keineTodesstrafe gab. Ein solcher Antrag würde den gesamten Prozess in die Länge ziehen und den Verteidigern die Gelegenheit geben, den Antrag der Staatsanwaltschaft auf Höchststrafe zu torpedieren. Sie hatten ihr gesagt, dass es da jede Menge Möglichkeiten gebe. Ihr Herz schlug heftig, als sie ihren Vater ansah. Dann endlich rückte sie mit der alles entscheidenden Frage heraus.
»Wenn du schuldig bist, Dad, dann musst du mir das jetzt sagen, ja?«, flüsterte sie. »Dann können deine Verteidiger sich mit der Staatsanwaltschaft auf eine lebenslange Haftstrafe einigen, so wie damals bei dem Mörder von Robert Kennedy. Wäre das nicht die bessere Lösung?«
»Ich bin unschuldig, das wird schon noch bewiesen werden. Warum also sollte ich so einen Kuhhandel eingehen? Ich zahle denen täglich wahnwitzig viel Geld, damit sie für meinen Freispruch sorgen. Nicht, damit ich für etwas eingebuchtet werde, was ich nicht getan habe.«
»Und wenn es aber doch so weit kommt? Bist du dir deiner Sache wirklich so sicher? Ich bin es nämlich nicht.«
Er sah sie kurz an, bevor er antwortete. »Dorothy, du bist mein Engel. Egal, was passiert, ich werde es durchstehen, solange du nur bei mir bist.«
Hinter Doggies Schläfen begann es zu pochen. Sie glaubte ihm nicht. Ihm war es nie egal, was passierte. Also log er entweder wie gedruckt – oder er war total blauäugig, und daran glaubte sie nicht. Solange sie nur bei ihm war! Was bildete er sich eigentlich ein?
»Jetzt hör mir mal gut zu, Dad.« Sie wischte sich über die Augen und ignorierte seinen Blick. »Wenn du schuldig bist, dann sag es mir. Ich will dir nicht versprechen, dass ich dich besonders oft besuchen komme, aber wenn du es jetzt abstreitest und später zeigt sich dann, dass man dir deine Schuld nachweisen kann, dann siehst du mich nie wieder! Verstanden?« Sie wich seinem Blick aus. »Nie wieder. Und jetzt frageich dich noch einmal: Bist du des Mordes an Mimi Todd
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