Das Washington-Dekret: Thriller (German Edition)
Stimme bebte vor unterdrückter Wut. »Aber wir müssen uns an die parlamentarischen Grundlagen halten.«
»Das werden wir versuchen, ja.«
Das Wort »versuchen« war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Der Vizepräsident sprang auf. »Nein, wir werden es verdammt noch mal nicht nur versuchen, Bruce. Siehaben sich an die Spielregeln zu halten, die der Kongress und die Verfassung vorgeben, verstanden? Ansonsten werden wir dafür sorgen, dass Sie aus Ihrem Amt entfernt werden, koste es, was es wolle!«
Lerners Gesicht war puterrot. Gerüchten zufolge hatte er Herzprobleme. Wesley hielt es für möglich, dass er zusammenbrach.
Der Präsident trat einen Schritt näher. Er war mindestens einen halben Kopf größer als sein Vize und gut und gerne zehn Kilo schwerer. Jetzt prügeln sie sich gleich, dachte Wesley. Aber der Präsident sah Lerner nur an, bis dieser zur Seite trat und ihn zu seinem Schreibtisch gehen ließ. Dort blieb Jansen kurz stehen und sah sie alle nacheinander an. Dann setzte er sich.
»Morgen werde ich eine Fernsehansprache halten, in der ich der Bevölkerung von der Kampagne berichte, die ich ab sofort ›Eine sichere Zukunft‹ nenne. Wer damit ein Problem hat, möge sich jetzt bitte melden.«
Alles schwieg. Wesley traute seinen Ohren kaum. Wollte der Präsident im Ernst so schnell mit dem Programm an die Öffentlichkeit gehen? Wollte er sich wirklich schon am nächsten Tag zur Zielscheibe machen? Ohne jede Lobbyarbeit, ohne monatelange Verhandlungen, ohne Kompromisse, ohne geheime Absprachen und ohne jeden Handschlag? Das war doch der schiere Wahnsinn. Wesley rieb sich das Gesicht. Der Präsident wollte seinem Volk in einer landesweit übertragenen Fernsehansprache von seinen Reformideen erzählen. Wahrscheinlich stellte er sich sogar vor, dass Wesley diesen Blödsinn für ihn formulieren sollte.
»Ich bin dafür.« Betty Tucker sprach als Erste. Sunderland nickte.
»Ich auch!« Lance Burton warf einen kurzen Blick auf Wesley. »Wir haben zwar nicht viel Zeit, die Rede zu schreiben, aber Donald und ich sind beide dabei.«
Wesley war sprachlos. Das konnte doch nicht wahr sein!Was hatte man Donald Beglaubter und Lance Burton in Aussicht gestellt, um sie zum Mitmachen zu bewegen? Vielleicht die Ministerposten, die nach dem unvermeidlichen Aufruhr frei würden?
Auch Justizminister Lovell nickte. »Ich werde gleich im Anschluss Manning, den Vorsitzenden Richter des Obersten Gerichtshofes, aufsuchen und informieren. Außerdem werde ich noch heute Nacht eine Sondersitzung im Ministerium einberufen.«
Wesley schwieg, aber ihn fragte auch niemand nach seiner Meinung. Was sollte er allein denn tun? Wenn er nichts sagte, glaubten die anderen sicher, dass er auch dafür war. Nervös trippelten seine Füße unter dem Tisch.
»Mister President, wen schlagen Sie als meinen Nachfolger vor, wenn ich der Presse in circa drei Stunden mitteile, dass ich von meinem Amt als Vizepräsident zurücktrete?« Lerner hatte sich anscheinend einigermaßen beruhigt, jedenfalls wirkte er jetzt eiskalt. Er würde über kurz oder lang ein zäher Widersacher sein.
»Ach, da werden wir schon eine Lösung finden, Michael«, antwortete Jansen.
Jetzt zuckten Wesleys Beine gänzlich unkontrolliert.
Beim Gedanken daran, die Ansprache des Präsidenten schreiben zu müssen, drückte sich Wesley auf dem Weg nach Hause an den Hausmauern entlang. Er verfluchte sich selbst. Ich hätte lautstark protestieren sollen, ich verdammter Feigling!
Die großen Fragen besprach er mit Lance Burton am Telefon, über die Einzelheiten tauschte er sich mit Donald Beglaubter per Mail aus. Dann zwang er sich, drei Stunden lang am Computer sitzen zu bleiben, und jetzt war er fast fertig.
Neben ihm standen drei leere Coladosen, hinter ihm zwei Fernseher, über deren Mattscheiben die Spätnachrichten flimmerten. Alle zwei Minuten stellte er seinen Bürostuhl neu ein.Um ein Uhr nachts wollte sein Fahrer kommen und ihn holen. Bis dahin war nicht mehr viel Zeit. Wesley war nicht wohl in seiner Haut.
Die ersten Interviews mit Vizepräsident Lerner kamen bereits um fünf nach zwölf, früher als erwartet. Selbstsicher und gestärkt stand er vor der Kamera und teilte mit, er habe dem neuen Präsidenten sein Misstrauen ausgesprochen und sehe sich gezwungen, nun zurückzutreten. Genau so sagte er es. Nicht, dass er sich freiwillig zurückziehen würde. Nein, er »sehe sich gezwungen, zurückzutreten«. Eine ziemlich pfiffige Formulierung, auf
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