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Das Washington-Dekret: Thriller (German Edition)

Das Washington-Dekret: Thriller (German Edition)

Titel: Das Washington-Dekret: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jussi Adler-Olsen
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verstand gar nichts mehr. Der Mann, der ihm die Faxegeschickt hatte, existiere nicht, sagten sie ihm. Aber er hatte doch mit ihm telefoniert! Und er erinnerte sich gut an den Namen, Blake W. Wunderlich, wer würde das nicht?
    Als der Prozess begann, erinnerte sich auch der Staatsanwalt nur zu gut an den Namen Wunderlich, an dieses »seltsam imaginäre Wesen«, wie er sich ausdrückte. Die Anklage fasste zusammen, dass also ein Mann, der gar nicht existierte, die Faxe abgeschickt hatte, und zwar von einem Faxgerät, das in Bud Curtis’ eigenem Büro in Chicago stand. Als ein Kriminalbeamter überdies nachweisen konnte, dass Bud Curtis sich am selben Tag in seinem Büro in Chicago aufgehalten habe, war Buds Schuld da nicht bewiesen? Was sollte er leugnen? Die Behauptung, er habe das alles selbst konstruiert und Blake W. Wunderlich habe nie existiert, war schwer zu widerlegen.
    Für Bud stellte sich die Frage, wer ein Interesse daran haben mochte, sich als jemand auszugeben, der nicht existierte. Und das war nicht der einzige Schlag, den er einstecken musste. Die Kette der irrwitzigen Behauptungen war schier endlos. So sagten zum Beispiel zwei der schwarz gekleideten Sicherheitsbeamten aus, sie hätten nur zwei Tage vor dem Mord Buds Revolver auf seinem Schreibtisch in Virginia Beach liegen sehen. Dabei hatte er ihn seit mindestens drei Jahren nicht mehr aus der Schublade genommen. Bei der anschließenden Analyse der Patronenhülsen waren überdies Fragmente seines Fingerabdrucks gefunden worden. Wie war das möglich, wo er den Revolver doch noch nie geladen hatte! Sie hatten eine Videoaufnahme von ihm vorgelegt – die Sequenz, in der er seiner Aussage zufolge mit einem Wasserglas zurück zum Mittelgang kam. Aber auf dem Video war kein Glas in seiner Hand zu sehen. Wie war das möglich? Natürlich hatte er ein Glas in der Hand gehabt! Und dann die Sache mit dem Geld, das er angeblich an Toby O’Neill überwiesen hatte. Er wusste nicht, wovon sie sprachen! Wer wollte ihm diesen Mord anhängen?
    Und niemand stand ihm bei. Kein einziger Angestellter desSplendor Hotels in Virginia Beach teilte dem Gericht mit, wie glücklich ihr Chef gewesen war, endlich wieder guten Kontakt zu seiner Tochter zu haben. Wie sehr er sich über den PR-Coup gefreut hatte, den zukünftigen Präsidenten am Wahlabend in seinem Hotel zu Gast zu haben. Niemand war auf die Idee gekommen, Buds harsche Kommentare zum Präsidenten und zu Mimi Jansen mit dem Hinweis abzumildern, dass Bud Curtis sich zeit seines Lebens über alles und alle beschwert hatte – aber stets mit einem Lächeln auf den Lippen. Niemand hielt es für nötig, darauf hinzuweisen, wie halbherzig sein Einsatz als Jugendlicher damals bei den Wahlkampagnen für Barry Goldwater und George Wallace gewesen war und mit welchem Feuereifer er sich nach seiner Rückkehr aus Vietnam in seiner Heimatregion engagiert hatte. Wahrscheinlich hatte all das nie jemand registriert. Wahrscheinlich nahmen die Menschen an einer starken Persönlichkeit nicht auch deren weiche Seiten wahr. War er an allem selbst schuld, weil er immer den Mund so weit aufgerissen hatte?
    Höchstwahrscheinlich. Die Erkenntnis warf ihn regelrecht um.
    Er hatte mit einem fairen Prozess gerechnet, und er war davon ausgegangen, seine Unschuld mit links beweisen zu können. Aber selbst Doggie war ihm bei ihrem Besuch im Gefängnis misstrauisch und zweifelnd begegnet. Und als sich schließlich bei der Aussage des Polizisten, die Faxe habe ein nicht existierender Mensch geschickt, der Vorsitzende der Geschworenen erhob und Bud ins Gesicht sah, da wusste er, nach welchen Regeln hier gespielt wurde.
    Die Unschuldsvermutung war außer Kraft gesetzt, es galt die Schuldvermutung. Er würde seine Unschuld beweisen müssen. Das würde von jetzt an sein Lebensinhalt sein.
    Siebenundzwanzig Männer saßen im Todestrakt. Der älteste war zweiundsechzig, der jüngste noch nicht mal zwanzig.Zehn Schwarze, zwei Latinos und der Rest Weiße, alle zum Tode verurteilt und alle mit Behörden und Anwälten kämpfend, um den Zeitpunkt der Hinrichtung hinauszuzögern.
    Die Hände dieser Männer waren beredt, sie waren das Einzige, was Bud von seinen Mitgefangenen sehen konnte. Sie ruhten tagsüber auf den Gitterstäben, mit einem kleinen Taschenspiegel konnte er sie sehen. Sie erzählten von der Verzweiflung und der Apathie, dem Missmut und der Lähmung der Männer.
    Die Vollzugsbeamten waren eiskalte Gesellen. Wenn sie die Gefangenen anketteten und

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