Das Washington-Dekret: Thriller (German Edition)
Gedankenreise ging. Bilder von ihm und seinem Bruder tauchten vor seinem inneren Auge auf. Wie sie auf der Veranda standen und mit dem Luftgewehr auf Budweiserflaschen schossen. Und von seinem Vater, der bei jedem Treffer jubelte.
»Wesley? Hallo?« Die Stimme war ganz weit weg. Wesley konnte kaum die Augen öffnen. Jemand beugte sich über seinen Schreibtisch. »Haben Sie einen Moment Zeit?« Wesley zwang sich, auf die Gestalt zu fokussieren, und blickte direkt in die ernste Miene des Präsidenten. Sofort sprang er auf und strich sich die Kleidung glatt.
»Immer mit der Ruhe!« Der Präsident setzte sich auf die Schreibtischkante und bat Wesley, wieder Platz zu nehmen.
»Lance Burton und Donald Beglaubter kommen gleich, um etwas mit Ihnen zu besprechen. Justizminister Stephen Lovell und der Vorsitzende des Obersten Gerichtshofs sind Opfer eines Attentats geworden.«
Wesley spürte, dass ihm das Hemd am Leib klebte. »Ein Attentat? Was ist passiert?«
»Sie waren im Wagen des Justizministers unterwegs zum Kongress, als es eine Explosion gab. Wir vermuten eine Bazooka, aber das werden wir noch früh genug erfahren.«
»O Gott.« Jetzt war Wesley hellwach. »Die beiden sollten Ihr Programm mit den Gesetzesänderungen vorlegen. Wie geht es den beiden? Sind sie am Leben?«
»Manning war auf der Stelle tot. Lovell wird wohl durchkommen.« Er schüttelte den Kopf. Wesley konnte es nicht fassen.
»Wir werden die Debatte im Kongress aus Sicherheitsgründen verschieben«, fuhr Jansen fort. »Aber wir müssen ziemlich schnell eine Presseerklärung herausgeben. Schaffen Sie das, Wesley? Ich habe Lance Burton bereits gebrieft, was gesagt werden soll.«
»Ja. Ja, selbstverständlich!« Wesley nickte, obwohl er am liebsten den Kopf geschüttelt hätte. Er war sich nicht sicher, ob er das schaffen würde. Was zum Teufel sollte er sagen?
Der Präsident erhob sich. »Ich habe größte Hochachtung vor Ihrer Loyalität. Sie haben bereits Großartiges geleistet. Ihre Ansprache heute Morgen zeugt von außergewöhnlichem Talent – Sie hätten Ihrem Vorgänger James Brady keine größere Ehre erweisen können. Wir haben bereits positive Rückmeldungen von der Organisation seiner Frau, von Handgun Control Inc. sowie anderen Gegnern des liberalen Waffenrechts. Sie alle sind mit unserer Initiative sehr zufrieden. Eines schönen Tages wird man im Presseraum unter der Gedenktafel für Jim Brady auch eine für Sie anbringen, Wesley. Oder den Raum nach Ihnen benennen. Wer weiß?«
Wesleys Mund war wie ausgetrocknet. Er bemühte sich, zu lächeln, aber innerlich war ihm überhaupt nicht danach zumute. »Und wie sieht es mit Rückmeldungen von der Waffenlobby aus? Die National Rifle Association sieht das doch bestimmt ganz anders, oder?«
»Machen Sie sich um die NRA und deren Gesinnungsgenossen keine Sorgen, Wesley. Kümmern Sie sich nur darum, der Welt von dem Attentat zu berichten und ihr zu erklären, dass dieses Ereignis nur noch einmal unterstreicht, wie richtig und wichtig unser Vorhaben ist. Und dass wir deshalb umgehend drastische Maßnahmen ergreifen müssen.«
»Drastische Maßnahmen, Sir?«
»Sprechen Sie mit Lance Burton und Donald Beglaubter. In einer halben Stunde treffen wir uns im Oval Office.«
Drei Stunden später stand das Land Kopf. Die Nachricht von Theodore Mannings gewaltsamem Tod und Justizminister Lovells schweren Verletzungen hatte allen anständigen Menschen einen Schock versetzt.
Parallel gingen bei liberalen Zeitungen, beim Kongress, bei zwei unabhängigen Filmstudios und bei zahllosen Anti-Gewalt-Gruppen telefonische Bombendrohungen ein. Auch das Fine Arts Museum in San Francisco, das gerade eine Ausstellung zum Thema »Künstler gegen Gewalt« zeigte, wurde bedacht.
Trotz intensiver Fahndung war es Moonie Quale gelungen, unterzutauchen und mehreren Radiosendern Telefoninterviews zu geben, deren Botschaft unmissverständlich war: Die Weißkopfadler, Indianas Partisanen, die Rushmore Defenders und alle anderen Milizen ähnlicher Gesinnung würden die Pläne der Regierung bekämpfen. Laut Quale hatten diese Gruppierungen nichts mit dem Attentat auf den Justizminister und den Höchsten Bundesrichter und auch nichts mit den Bombendrohungen zu tun. Sie würden aber bald auf ihre Art und Weisezuschlagen. Sie hätten nicht vor, sich entwaffnen zu lassen, und schon gar nicht von dem Kommunistenschwein Jansen.
Das nahm Jansen zum Anlass, den Sicherheitsminister Billy Johnson und den Chef der nationalen
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