Das Washington-Dekret: Thriller (German Edition)
stützten. Die großen Sprossenfenster boten einen ungehinderten Blick über die weitere Umgebung und die Landschaft. Alles wirkte gepflegt und gut erhalten. Niemand, der an dieser Farm vorbeifuhr, würde ahnen, dass dort jener Milizenführer lebte, der wie kein Zweiter Gewalt predigte.
Bugatti begann die an den Wänden in abgeschlossenen Waffenregalen aufgereihten halbautomatischen Gewehre zu zählen. Es waren mindestens fünfzig, in allen Größen. Darüber hingen übergroße Fotokopien der Leichen von Martin Luther King, Robert Kennedy, John F. Kennedy und Malcolm X. An der Stirnwand war ein mehrere Meter breiter Wandteppich mit einem von einem Geflecht aus Dornen und heidnischen Symbolen umgebenen Weißkopfadler angebracht. Hakenkreuze waren zwar nirgendwo zu sehen, aber über dem Kamin hingen die Porträts von Hitler und Mussolini in vergoldeten Rahmen.
Sie mussten noch eine weitere halbe Stunde ausharren, während die Wutanfälle im Nachbarzimmer immer lauter wurden.
»Ich fürchte, Moonie Quale telefoniert mit Anführern anderer Milizen«, sagte der Kameramann.
Bugatti fing an zu schwitzen. Wenn die Idioten nebenan nur nicht auf die Idee kamen, er und Marvin könnten mithören.Er sah seinen Begleiter an. »Das würdest du auch tun, wenn du gerade erfahren hättest, dass alle Organisationen, die Waffen tragen, verboten werden sollen. Wir haben doch Moonie Quales Gesicht gesehen, als der Präsident gesagt hat, in Zukunft werde der Besitz von Munition nur noch mit besonderer Genehmigung erlaubt sein. Sie sollen also demnächst für etwas um Erlaubnis bitten, das bisher das verbriefte Recht eines jeden amerikanischen Bürgers war!«
Der Kameramann schüttelte den Kopf. »Das Verbot ist dem doch scheißegal, und den anderen Milizionären auch. Wer bitte schön soll denen denn die Waffen abnehmen? Der Sheriff von diesem Kaff hier vielleicht?« Der Kameramann lachte. So ein Lachen hatte Bugatti noch nie von ihm gehört.
Dann wurde Marvin schlagartig ernst. »Nein, John. Was Moonie am allermeisten anpisst, sind die Schwarzen und die Latinos. Denn Jansens Gesetzesvorschlag heißt nichts anderes, als dass sehr bald massenweise kriminelle Schwarze und Latinos auf die Straße kommen – und das stinkt Moonie Quale gewaltig. Natürlich. Mir stinkt das übrigens auch.«
»Die Amnestie gilt meines Wissens für alle. Auch für kriminelle Weiße.«
»Ja, aber das ist Quale doch scheißegal, oder?«
Bugatti schüttelte den Kopf. Er gab Jansens Vorstoß nicht die geringste Chance. Der Vorsitzende des Repräsentantenhauses war Republikaner und stockkonservativ. In beiden Kammern gab es eine überwältigende Mehrheit gegen eine verschärfte Rechtspraxis. Und noch nie hatte sich jemand erlaubt, eine derartig umfassende Gesetzesinitiative öffentlich vorzubringen, ohne sie zuvor über alle politischen Grenzen hinweg und mit sämtlichen Lobbygruppen durchzupauken. Jansen kannte doch die parlamentarischen Spielregeln! Warum versuchte er das überhaupt? Bugatti fand das unbegreiflich. Die Vorschläge waren kaum veröffentlicht, da war der Platz des Vizepräsidenten schon leer, und Lerner hatte eindeutige Anspielungen zumGeisteszustand des Präsidenten gemacht. In den nächsten Tagen würde alles gegen Jansen und seine geplante Politik Sturm laufen. Noch vor Ende der Woche würde er entweder stürzen oder sich freiwillig zurückziehen. Schade um den Mann, aber unvermeidlich.
»Pst, sie kommen«, flüsterte Marvin und stellte sich hinter die Kamera.
Moonie Quale hatte seine Uniform abgelegt und trug stattdessen einen tadellosen anthrazitfarbenen Anzug. Der Mann wusste genau, wie man sich auf dem Bildschirm in Szene setzte.
Marvin schaltete die Kamera ein, und Moonie Quale bedeutete den kahlköpfigen Leibwächtern, zur Seite zu treten. Bugatti nickte seinem Kameramann zu. Es ging los.
»Ich danke den Herren, dass sie die lange Reise bis hierher auf sich genommen haben«, begann Quale. »Wir freuen uns schon lange darauf, im landesweiten Fernsehen erklären zu können, wofür unsere Organisation steht, sodass alle Amerikaner erfahren, dass wir nur das Beste für die Vereinigten Staaten wollen. Aber so, wie die Dinge stehen, müssen wir das Interview heute absagen. Die Situation hat sich geändert. Wir befinden uns im Kriegszustand.« Er sah direkt in die Kamera. »Ganz Amerika soll wissen, dass Moonie Quale den kommunistischen Kreuzzug des verrückten Bruce Jansen verhindern wird. God bless America!«
Quale signalisierte
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