Das Weihnachtshaus
Er sah so glücklich aus, wie es nur ein Achtjähriger beim Auspacken eines Weihnachtsgeschenks auf seinem Schoß sein kann.
Direkt neben der Uhr stand ein besonders reichverzierter Rahmen. Ich beugte mich vor, und mir blieb das Herz stehen.
Es war das Bild. Die Fotografie. Der Weihnachtsmann und der weinende Junge. Genau das Foto, das ich in meiner Brieftasche hatte. Nur war das auf dem Kaminsims größer und nicht so vergilbt. Und es war in einem kunstvollen Rahmen, genau, wie Katharine sich zu erinnern glaubte. Das Bild war hier. In diesem Haus.
Ich sank in den Ledersessel neben dem Feuer und fühlte alles um mich herum verschwinden.
Wie konnte das sein? Wer waren diese Menschen?
Die Wahrheit, nach der ich so viele Jahre lang gesucht hatte, war zum Greifen nah. Aber ich konnte mich nicht bewegen. Ich konnte nicht einmal richtig atmen.
ELFTES KAPITEL
Meine Gedanken rasten und suchten nach irgendeiner Ordnung.
Wer ist der Mann auf dem Foto? Wer ist der Junge? Was hat das Foto in diesem Haus zu suchen? Warum hatte meine Mutter einen Abzug von diesem Foto? Hatte Josh recht? Kannte meine Mutter jemanden auf dem Foto? Ist einer von ihnen möglicherweise … mein Vater?
Das Spiel verlor allmählich seinen Reiz. Ellie schwebte durch den Raum und drängte ihre Gäste, noch etwas zu essen. Ich beugte mich vor, weil ich hoffte, sie damit auf mich aufmerksam zu machen. Mein unausgesprochener Wunsch erfüllte sich. Sie kam zu mir.
«Möchten Sie etwas zu trinken, Miranda?»
«Nein, ich …»
«Haben Sie schon den Punsch probiert? Er enthält keinen Alkohol. Wenigstens gehe ich davon aus. Das Problem ist, ich konnte nicht den ganzen Abend auf Andrew aufpassen, deswegen kann ich nicht garantieren, dass er nicht doch seine üblichen Spielchen getrieben hat. Würden Sie gern noch etwas essen?»
«Nein, ich …» Ich blickte zum Kaminsims und spürte, wie mein Herz in meiner Brust klopfte. «Ich … Ich frage mich … Ist das …»
Ellie blickte zur Uhr auf dem Sims. «Brauchen Sie die genaue Uhrzeit? Die Uhr dort geht ständig nach. Sie müssen rechtzeitig los, nicht wahr, um den Zug zurück nach London zu erreichen?»
«Ja, aber …» Automatisch sah ich auf meine Armbanduhr. Die Zeiger hatten sich wieder um eine Minute weiterbewegt. Sie zeigten nun beide direkt nach oben. Mitternacht. Meine Reise durch die vergangene und durch die gegenwärtige Weihnacht hatte mich hierhergeführt, zu diesem «Mitternachtsaugenblick». Das Foto in meiner Brieftasche passte zu dem auf dem Kaminsims; Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft waren eins geworden.
«Sie müssten den Zug nach London um zehn Uhr vierzig problemlos erreichen, wenn Sie sich hier so etwa in zehn Minuten auf den Weg machen», sagte Ellie. «Oder in fünfzehn, wenn Sie mögen. Ich würde Sie gern zum Bahnhof bringen. Wie wäre das?»
Ich konnte noch nicht aufbrechen. Nicht, bevor ich wusste …
«Ellie, ich … ich … Das Foto auf dem Kaminsims. Wer sind diese Menschen?»
«Unsere Kinder. Als die Party angefangen hat, waren sie unten, aber jetzt sind sie schon im Bett. Vielleicht haben Sie sie nicht gesehen. Das ist unsere Tochter Julia. Sie ist jetzt fünf. Und unser Sohn Mark ist zwölf.»
«Und das andere Foto? Das neben der Uhr?»
«Ist das nicht großartig? Ich liebe dieses Foto! Jeder liebt dieses Foto. Jeder außer meinem Mann. Ich habe mich mit Edward gestritten, weil ich es dieses Jahr aufstellen wollte. Bei seiner Mutter stand es jedes Jahr zu Weihnachten auf dem Kaminsims. Man sollte doch meinen, dass mein Mann nach immerhin fünfunddreißig Jahren nichts mehr dagegen haben würde, dass es aufgestellt wird. Zeigt es nicht wunderbar den Wutanfall eines Vierjährigen?»
«Dann ist das also Edward? Der Junge auf dem Foto ist Ihr Mann?»
Ellie nickte und lächelte liebevoll zu dem Foto hinüber.
Ich schätzte Edward und Ellie auf Ende dreißig, Anfang vierzig. Edward war nicht alt genug, um mein Vater zu sein. Das bedeutete …
«Der Mann auf dem Foto?» Ich stand auf und stellte mich neben Ellie, um besser sehen zu können.
Ellie war erstaunt, dass ich es nicht wusste. «Das ist natürlich James.»
Endlich war es so weit, und ich hörte, was Doralee und mir damals entgangen war. «Jay Ames», wiederholte ich.
«Richtig, Sir James. Edwards Vater.»
Ich fühlte, wie meine Knie weich wurden, und setzte mich wieder in den Ledersessel.
«Sir James hat viele Jahre lang perfekt den Weihnachtsmann gespielt. Ich erinnere mich, wie ich
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