Das Weihnachtshaus
hatte sie mir das Lesen beigebracht.
Nun stand Edward mitten in der Runde. Er hielt inne, dachte nach und blickte sich im Raum um. Er sah Ellie an, als ob er ihren Zuspruch bräuchte. Sie glitzerte und glühte und warf ihrem eleganten Ehemann eine Kusshand zu. Durch diese charmante Geste schloss ich, dass Edward viel umgänglicher war, als seine Art es vermuten ließ. Ich mochte sie beide, was mich überraschte, da ich sie kaum kannte.
Noch immer sah Edward Ellie an, doch dann ließ er seinen Blick schweifen, bis er an mir hängen blieb. In diesem Augenblick hatte er offensichtlich seine Zeile gefunden. Zuerst malte ich mir nur aus, dass irgendetwas uns verband, doch als ich seine Zeile hörte, wusste ich, dass ich ihn unbeabsichtigt inspiriert hatte. Es war mein Name. Er zitierte Mirandas letzte Worte aus Der Sturm .
«O Wunder! Wie viele feine Geschöpfe sind hier beisammen! Wie schön ist das menschliche Geschlecht! O brave neue Welt, die solche Einwohner hat!»
Niemand im Raum antwortete. Alle blickten sich fragend an und zuckten mit den Schultern.
«Wo hat er das denn nur her?» Ellie schüttelte den Kopf und ließ Feenstaub auf meinen Arm rieseln.
«Es ist aus Der Sturm », sagte ich mit leiser Stimme.
« Der Sturm ?», fragte sie. «Shakespeare, nicht wahr? Woher kennen Sie all diese Texte?»
Ich zuckte mit den Achseln und hoffte, dass ich naiv wirken würde. Ich hatte nicht eine einzige Aufführung von Der Sturm gesehen. Ich kannte die Zeilen, da ich den Text viele Male gelesen hatte. Während der Jahre mit der fernseherlosen Doralee habe ich viel gelesen. Ich habe mir keine Theaterstücke angesehen, aber ich habe Dutzende gelesen, und zwar immer wieder.
Den Sieg vor Augen, wiederholte Edward das Zitat mit einer leicht gehobenen Augenbraue. «Keiner? Nicht einer? Nicht mal eine Vermutung?»
Ich war mir sicher, dass es unhöflich war, dem Gastgeber einen Schritt voraus zu sein. Doch Ellie schien anderer Meinung zu sein.
«Sie weiß es», sagte Ellie und zeigte auf mich. «Los, Miranda.»
Alle blickten mich an.
Ich erstarrte, und dann wurde mir klar, dass ich all diese Blicke nur dann loswerden würde, wenn ich einfach antwortete: « Der Sturm .»
Edward wirkte beeindruckt oder, um seine Reaktion genauer zu beschreiben, interessiert. Er verneigte sich und bedeutete mir mit einer Handbewegung, dass ich nun in die Mitte kommen sollte. Diesen Teil des Spiels hatte ich ganz vergessen. Nun war es an mir, die Experten zu verblüffen. Aber ich wollte nicht im Mittelpunkt stehen.
«Schon okay.» Ich hob meine Hand und trat einen Schritt zurück, näher zum Kamin. «Sie können weitermachen. Mit fällt nichts ein. Bitte, machen Sie weiter.»
«Aber Sie sind dran», sagte Ellie.
«Wirklich, ich kann nicht … Mir fällt nichts …»
Mein Verhalten musste verraten haben, wie unbehaglich ich mich fühlte, denn Ellie trat vor, die perfekte Gastgeberin in Rosa. «Miranda hat an mich weitergegeben. Und ich habe etwas Gutes. Seid ihr bereit?»
Ellie würde nie erfahren, wie dankbar ich ihr in diesem Augenblick war.
Um weiteren Peinlichkeiten aus dem Weg zu gehen, entfernte ich mich einige Schritte von der Gruppe und stand nun bei den Ledersesseln am Kamin.
Ellie wartete mit einem Zitat auf, das ich nicht einordnen konnte. Eine Frau kannte das Stück, rief die Antwort und trat vergnügt ins Rampenlicht.
Ich bemerkte Katharine am anderen Ende des Raumes, und mir fiel wieder ein, warum ich überhaupt zu dieser Party eingeladen worden war. Ich blickte mich nach einer Uhr um, um herauszufinden, wie spät es war, und fragte mich, wann ich mich wohl auf den Weg zum Bahnhof machen sollte. Inmitten all der Dekorationen auf dem Kaminsims entdeckte ich eine alte Uhr. Ich trat näher an das Feuer heran, um das kleine Zifferblatt erkennen zu können. Doch dann blieb mein Blick an einer Reihe von gerahmten Familienfotos hängen. Auf dem ersten Foto stand ein kleines Mädchen neben einem überreich geschmückten Weihnachtsbaum. Es trug ein Rüschenkleid mit einer breiten Schärpe um ihre Taille und schwarze Lackschuhe mit weißen Söckchen. Das Mädchen stand stocksteif da und grinste breit in die Kamera. Die Arme hatte es so eng an den Körper gepresst, dass der weite Rock an beiden Seiten ganz flach anlag, während er vorn und hinten abstand wie ein Kanu mit einem gekrausten Petticoat.
Neben diesem süßen Bild stand ein größeres Foto. Es zeigte einen kleinen Jungen im Schlafanzug mit einem braunen Rentiergeweih.
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