Das Weihnachtshaus
aufgehalten hatte. An einem meiner Bettpfosten hing ein langer roter Strumpf. Mein Name war mit geschwungenen Buchstaben auf ein weißes Stück Stoff geschrieben, das am oberen Ende des Strumpfes befestigt war.
Ich setzte mich aufs Bettende und untersuchte den Strumpf. Noch nie zuvor hatte ich einen Weihnachtsstrumpf gesehen. Diese Geste herzlicher Gastfreundschaft war fast schon zu viel für mich. Im Zehenende des Strumpfes steckte eine Mandarine, die einen frischen, süßen Duft verbreitete, als ich all die Leckereien auf die Decke schüttete.
Neben der Mandarine fand ich einen roten Füller, der an einem Notizblock steckte, sechs Bonbons (vier harte und zwei weiche), den angepriesenen Lion-Schokoriegel und eine kleine Tüte mit Cashewnüssen.
Ich kuschelte mich wieder unter die Decke, aß als Erstes den Schokoriegel und dachte daran, wie oft meine Mutter und ich Schokolade zum Weihnachtsfrühstück hatten. Der Lion-Riegel hatte eine Schicht Karamell in seinem Innern. Meine Mutter hätte das gemocht. Ein Bissen, und ich wusste, warum Julia diese Riegel so mochte.
Als Nächstes aß ich die Cashewnüsse und dann die beiden weichen Bonbons. Die Mandarine hob ich mir bis zum Schluss auf. Ich saugte jedes Stückchen langsam aus und genoss den frischen Geschmack im Mund. Als ich aufblickte, sah ich mich in dem großen Spiegel, der über der Kommode an der Wand hing. Ich nahm ein Stück Mandarine zwischen die Lippen und warf meinem Spiegelbild ein breites Mandarinenlächeln zu.
Ich musste lachen. Ich konnte nicht mehr aufhören und bemerkte, dass ich schon lange nicht mehr gelacht hatte. Ein glücklicher Gedanke erfüllte mich. Konnte es sein, dass nach all diesen Jahren des Winters in meiner Seele nun endlich, zu guter Letzt, Weihnachten war?
Ich wagte, daran zu glauben.
FÜNFZEHNTES KAPITEL
Ich blieb unter der behaglichen Daunendecke liegen und freute mich, dass ich hier war und nicht allein in einem Hotelzimmer in London. Der Weihnachtsmann hatte mir noch etwas anderes gebracht zum Fest: hier zu sein, an diesem Ort, bei diesen Menschen. Ich fühlte mich wohlig jung.
Irgendwann musste ich eine Entscheidung treffen, wie ich weiter vorgehen sollte. Doch jetzt konnte ich mir einfach Zeit lassen, meine Geschenke ganz langsam auspacken und die Üppigkeit um mich herum genießen.
Das sagte ich mir in der Behaglichkeit meines Gästebettes und blickte dabei auf den frischgefallenen Schnee vor dem Fenster, auf den glitzernd die Sonne strahlte.
Plötzlich hörte ich ein vorsichtiges Klopfen an der Tür. Es war mehr ein Antippen als ein Klopfen. Ich ging davon aus, dass es Julia war, und rief: «Herein.»
Die Tür ging auf, doch anstelle von Julia erschien Ellies neugieriges Gesicht. «Sie sind also doch schon wach. Guten Morgen und fröhliche Weihnachten!»
«Auch Ihnen fröhliche Weihnachten!»
«Julia hat erzählt, dass Sie ihr den Schnee und die Geschenke unter dem Baum gezeigt haben.»
«Ich hoffe, das war in Ordnung.» Ich setzte mich auf.
«Ja, ja, natürlich war das in Ordnung. Ich habe Ihnen ja gesagt, Sie sollen sich wie zu Hause fühlen, genau das möchten wir.» Ellies Haar hatte wieder seine natürliche brünette Farbe, es glitzerte nicht mehr. Sie trug einen eleganten weißen Morgenrock und flauschige Slipper. Das war etwas ganz anderes als ihr Zuckerfee-Outfit vom Abend zuvor.
«Ich wollte fragen, ob Sie unten mit uns unter dem Baum sitzen möchten.»
Ich zögerte, weil ich mir nicht sicher war, ob es richtig wäre, bei noch einer Party in diesem Haus aufzutauchen. «Ich glaube, ich bleibe lieber hier», antwortete ich. «Aber ich würde Sie später gern zur Kirche begleiten.»
«Wunderbar!» Ellie blickte über das Schlachtfeld auf meinem Bett, wo all die Süßigkeiten so schnell vertilgt worden waren.
«Vielen Dank für den Strumpf», sagte ich verlegen. «Ich habe alles gemocht, wie Sie sehen können.»
Sie lächelte. «Ich bin sicher, der Weihnachtsmann hätte sich gefreut, wenn er gehört hätte, wie sehr Sie seine Geschenke genossen haben. Möchten Sie jetzt vielleicht eine Tasse Tee oder eine heiße Schokolade? Ich mache den Kindern immer eine heiße Schokolade, bevor sie die Geschenke auspacken.»
Ich lächelte und nickte. «Ich komme mit in die Küche und hole sie mir.»
«Nein, nein, nein! Sie bleiben da, wo Sie sind. Ich werde sie Ihnen bringen.»
Und bevor ich protestieren konnte, zog Ellie ihren Kopf zurück und schloss die Tür hinter sich. Ich konnte noch immer kaum fassen, wie
Weitere Kostenlose Bücher