Das Weihnachtsversprechen
würde. Dann würde er mir Geschenke bringen und mir alle, auf denen ›Montage erforderlich‹ stand, zusammenbauen, wissen Sie, so wie Ihr Dad es gemacht hat. Dann würde er mit uns einen riesigen Truthahn essen und den ganzen Tag mit mir spielen.« Sie drückte den Zigarettenstummel am Treppengeländer aus und zog eine weitere Zigarette hervor, die sie in ihrer Handfläche auf und ab hüpfen ließ.
»Ist er je vorbeigekommen?«, fragte Chaz.
Carla steckte sich das Zigarettenende in den Mund. »Er schenkte mir ein Frisbee. Uneingepackt. Ich war so aufgeregt. Ich bat ihn, mit mir Verstecken zu spielen, und er versteckte sich hinter der Couch. Ich fand ihn sofort, und dann lief ich weg, um mich im Flurschrankzu verstecken. Er machte sich nie die Mühe, nach mir zu suchen. Ich hörte, wie sich die Vordertür schloss.« Sie schob die nicht angezündete Zigarette in die Schachtel zurück. »Mein ganzes Leben lang wollte ich nur, dass er bemerkte, dass ich da war. Wie zum Teufel sollte er mich wahrnehmen, wenn er noch nicht einmal so tun konnte, als suche er mich?« Sie nahm die Zigarette wieder aus der Schachtel und zündete sie an.
Sie schwiegen, und der Wind blies eine Rauchwolke in Chaz’Gesicht. »Hey«, sagte Chaz. »Ich bin nicht sicher, wie lange ich hier nachts arbeiten werde, darum ...« Sie drehte sich zu ihm und sah ihn an, während sie an der Zigarette zog. »Glauben Sie, dass Sie irgendjemanden finden können, der auf Donovan aufpasst?«
Sie nahm einen weiteren Zug und schnippte die Zigarette weg, bevor sie die Tür öffnete. »Ich muss Miss Glory fragen. Aber sie ist mit vielen Leuten in ihrem Haus beschäftigt«, antwortete sie. »Ich habe sonst keinen anderen. Sobald jemand herausbekommt, dass er hier ist, werde ich gefeuert. So läuft das.« Sie verschwand die Treppen hinauf, und er hörte, wie ein Staubsauger angeschaltet wurde.
Chaz spähte durch das Fenster ins Büro des Sicherheitsdienstes. Carla musste bald einen Platz für Donovan finden. Er kam ihm zu nahe, und das erzeugte bei Chaz ein Gefühl des Unbehagens.
SECHSTES KAPITEL
Man erkennt Menschen mit dem Herzen,
nicht mit den Augen oder dem Verstand.
Mark Twain
W
ie stets, war Marshall Wilson auch in diesem Jahr bereit, Mützen, Socken und Fausthandschuhe für die Weihnachtspakete zu spenden, die Heddy, Dalton und ich zusammenstellten.
»Irgendwelche großen Weihnachtspläne?«, fragte er, als ich meine Handtasche und meinen Mantel aus seinem Büro holte.
»Nein«, antwortete ich. »All meine Kinder feiern dieses Jahr mit ihren Schwiegereltern. Ich werde zu Heddy und Dalton gehen. Und wie ist es mit Ihnen?«
Er zog ein Foto aus seiner Brieftasche. »Das ist mein Enkel. Er ist in Japan in einem Luftwaffenstützpunkt gewesen. Seine Großmutter und ich haben ihn seit zwei Jahren nicht mehr gesehen.« Ich betrachtete die dunklen Augen, die mich auf dem Foto anstarrten, während Marshall sprach. »Ist alles in Ordnung mit Ihnen, Gloria?«
Ich hob den Blick und sah dann wieder auf das Foto. »Ja. Sein Gesicht erinnert mich an meinen Matthew, das ist alles. Er ist sehr attraktiv«, erwiderte ich und gab ihm die Aufnahme zurück.
In Gedanken versunken verließ ich Marshalls Büro. Im Laufe der Jahre waren mir so viele Gesichter begegnet.Immer, wenn ich jemanden sah, der mich an Matt erinnerte, versetzte mir das einen Stich ins Herz. Ich schob mich durch die Eingangstür, und meine Handtasche fiel auf den Bürgersteig. Der Inhalt verteilte sich auf dem Boden, ein Lippenstift rollte unter ein Auto. Ich stöhnte auf, kniete auf dem Pflaster nieder und spähte unter das Auto.
»Auch noch meine Lieblingsfarbe. Das musste ja so kommen«, murmelte ich vor mich hin, während ich meinen Arm nach dem Lippenstift ausstreckte. »Ich werde Morning Rose auf gar keinen Fall hier liegen lassen.«
Ich zog meinen Stiefel aus, um damit nach dem Stift zu angeln, und keuchte bei jeder Dehnung. Schließlich erwischte ich ihn, stand auf und klopfte mir den Schnee von der Kleidung. Ich blies mir die Haarsträhnen aus den Augen, meine Haare mussten dringend geschnitten werden. Vorerst musste aber eine Haarklammer reichen, mit der ich die gelösten Haarsträhnen wieder nach hinten steckte.
Sobald ich alles beisammen und geordnet hatte, stieg ich in mein Auto und fuhr los. Aber als ich sah, dass Robert Layton vor seinem nebenan gelegenen Büro aus seinem Geländewagen stieg, bremste ich.
»Robert!«, schrie ich aus dem Fenster an der Beifahrerseite und
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