Das Weihnachtsversprechen
Industriebetrieb braucht einmal die Woche Hilfe beim Entladen einer Lieferung. Ein paar von uns kommen, und sie bezahlen uns für den Tag. Es bringt mich durch die Woche. Ich brauche nicht viel.« Sein Bart war dichter als noch ein paar Tage zuvor, und Chaz bemerkte, dass sich in den Falten um die Augen Schmutz gesammelt hatte. Er fragte sich, wo Mike duschte.
»Wie lange bist du schon ...«
»... auf der Straße?«, fragte Mike. »Seit sechs oder sieben Jahren. Man gerät leicht aus dem Tritt.«
»Weiß deine Familie, wo du bist?«
Mike schüttelte den Kopf und blies sich in die Hände. Eine kleine weiße Atemwolke verflüchtigte sich vor ihm. »Es ist besser so.« Er schob die Hände in die Taschen und beobachtete, wie Chaz von einem Fuß auf den anderen trat. Dann sah er ihn an. »Du brauchst nicht zu versuchen, irgendetwas zu sagen.«
Chaz öffnete die Tür zum Wilson’s, und zum ersten Mal seit Jahren wünschte er sich, dass er doch etwas hätte sagen können.
»Vier bis sechs Wochen! Sie müssen verrückt sein!« Ich steckte meinen Kopf zur selben Zeit wie Erin aus der Schlafzimmertür. Wir sahen einander von den gegenüberliegenden Seiten des Flurs an und hörten Miriam zu. Ich reckte mich, um einen Blick auf meine Uhr zu werfen, und stöhnte auf. Es war zu früh am Morgen, um Miriams Drama weiter zuzuhören. »Ich habe vernommen, was Sie gesagt haben, aber wie lange könnte es möglicherweise dauern, um die Bodenbretter rauszureißen sowie den Teppichboden und die Wandplatten auszutauschen?«
Ohne ein weiteres Wort warf sie den Hörer auf die Gabel.
Wir stiegen die Treppe hinunter und sahen, wie Miriam das Telefon in ihren Armen wiegte. Sie wirkte abgehärmt und erschöpft. »Ich bin am Boden zerstört«, sagte sie. »Einiges kann gerettet werden, aber das meiste hat einen zu großen Wasserschaden.«
Zum ersten Mal in unserer Beziehung empfand ichMiriam gegenüber etwas anderes als Abneigung. »Das tut mir wirklich leid«, sagte ich.
»Die Versicherung bezahlt zwei Wochen in einem Hotel, aber wer will sich schon in einem der Hotels hier aufhalten?«
Ich konnte nicht glauben, was ich im Begriff war zu sagen. »Sie können hierbleiben.«
Miriam warf die Hände in die Luft. »Mein Leben könnte nicht schlimmer werden, als es im Moment ist.«
Ich wandte mich von ihr ab, um wieder die Treppe hinaufzugehen. »Gut dann, Frühstück gibt es um Punkt halb acht und Abendbrot um sechs«, sagte ich. »Wenn Sie hier wohnen, erwarte ich von Ihnen, dass Sie nicht nur an den Mahlzeiten teilnehmen, sondern auch bei ihrer Zubereitung helfen und nach dem Essen abräumen.«
»Ich werde nicht ...«
Ich ließ sie nicht aussprechen. »Von Ihnen wird ferner erwartet, dass Sie Ihren Wohnbereich saubermachen und sarkastische Bemerkungen auf ein Minimum beschränken.«
Ich schloss meine Schlafzimmertür und fragte mich, auf was ich mich da eingelassen hatte.
An jenem Abend kam Donovan um halb zehn in das Büro des Sicherheitsdienstes gerannt. »Bei Miss Glory wohnen gerade zwei Frauen«, sagte Carla zu Chaz. »Ich weiß nicht, was ich mit ihm machen soll.«
Chaz zuckte mit den Schultern und zeigte auf das
Sofa. »Er kann hier schlafen, bis Sie fertig sind.« Carla küsste Donovan auf den Kopf und ging zu ihrer Arbeit.
»Was isst du, Spaz?«, fragte Donovan und lief zum Schreibtisch. Chaz reichte ihm ein Stück seines mit Erdnussbutter und Gelee bestrichenen Sandwiches. »Erdnussbutter?«, fragte Donovan und biss ab. »Wir müssen etwas anderes für die Arbeit einpacken.«
»Wir? Deine Mom sollte etwas für dich einpacken«, erwiderte Chaz. »Jedenfalls ist das ihre Aufgabe.« Chaz reichte ihm ein versiegeltes Törtchen.
»Oh!«, rief Donovan und lächelte. »Das meine ich.« Er tanzte, als habe er gerade einen Ball in der Endzone gefangen, und hob die Hand über den Kopf. »Hoch.« Chaz schlug gegen seine Hand. »Zur Seite.« Chaz schlug erneut gegen seine Hand. »Runter.« Donovan zog seine Hand weg, bevor Chaz dagegenschlagen konnte. »Zu langsam.«
Donovan beugte seinen Kopf nach hinten und lachte. Seine Witze waren abgedroschen, und mit seinem Geplapper machte er Chaz verrückt, aber auf eine merkwürdige Art gefiel ihm die Gesellschaft des Kindes.
»Hast du einen Weihnachtsbaum?«, fragte Donovan und brach das Törtchen auseinander.
»Nein. Und ihr?«
»Nein. Aber Miss Glory hat meiner Mom einen großen Strauch mit Weihnachtsschmuck dran gegeben.« Donovan schob sich ein Stück des Törtchens in den
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