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Das Weihnachtsversprechen

Das Weihnachtsversprechen

Titel: Das Weihnachtsversprechen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Vanliere
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unser Ältester. Er war da siebzehn. Er hat drei Kinder und ist jetzt Computerprogrammierer.« Ich zeigte auf unsere Tochter mit ihren langen braunen Haaren. »Das ist Stephanie. Sie wohnt nur rund zehn Minuten von hier und hat zwei Kinder. Sie macht medizinische Transkriptionen und kann zu Hause arbeiten. Das ist Daniel.« Ich zeigte auf unseren Sohn, der rotbraunes Haar hat. »Auf dem Bild ist er dreizehn, aber jetzt hat er zwei Kinder und arbeitet in einer Grundstückserschließungsfirma in Georgia.« Ich zeigte auf das Kleinkind auf meinem Schoß. »Und das ist Matthew, unser Jüngster.«
    Miriam sah ihn an. »Was macht er jetzt?«
    Ich schüttelte den Kopf und starrte auf sein Gesicht. »Ich bin mir nicht sicher.«
    »Ist er verheiratet?«
    »Niemand weiß das.« Ich wischte den Staub auf dem Bild mit meinem Ärmel fort. »Er hat unser Haus verlassen, als er siebzehn war, unmittelbar bevor sein Vater starb, und wir haben ihn seither nicht mehr gesehen.«
    Miriam war sprachlos. Ich konnte sehen, wie es in ihrem Kopf arbeitete. Wir kannten uns schon so lange und wussten so wenig voneinander. »Warum, Gloria?«
    Ich goss Wasser in einen Becher, in dem ein frischer Teebeutel lag. »Es gibt vermutlich sehr viele Gründe. Er hasste die Schule und war dort sehr schlecht. Natürlich sagten wir, dass er zur Schule gehen müsse, und er hasste sie umso mehr. Daniel hatte auch mit dem Lernen seine Mühe, aber ihm gefiel die Schule, und all meine Kinder trieben Sport und machten Musik. Matt war einfach ganz anders. Er konnte in der Schule nie einen Platz für sich finden und auch nicht irgendwo sonst. Wenn es eine Regel gab, dann musste er sie unbedingt brechen, und wenn wir ihm sagten, er solle etwas tun, dann tat er das Gegenteil. Offenbar fiel es ihm schwer, sein Leben zu bewältigen.« Ich stellte den Becher mit dem Tee, Sahne und Zucker vor Miriam. »Nach seinem Weggehen spielte ich jahrelang alles wieder und wieder in meinem Kopf durch und fragte mich, was Walt und ich falsch gemacht hatten und was wir anders hätten machen sollen – natürlich haben wir Fehler gemacht –, ich weiß, dass wir welche gemacht haben.« Ich griff nach einer Serviette und gab sie Miriam. »Als Walt krank wurde,konzentrierte ich allerdings all meine Energie auf ihn. Ich war mit jedem Atemzug so eingebunden, dass ich keine Kraft mehr für ...« Ich brach ab. »Ich weiß nicht. Wenn ich doch die Zeit zurückdrehen könnte. Wir sagen das immer, nicht?«
    Miriam stützte das Kinn auf die Hand und schüttelte den Kopf. »Eltern können ihre Kinder im selben Haus nach denselben Regeln und denselben Mustern erziehen, und dennoch wird aus jedem von ihnen etwas anderes. So ist es auch bei meinen eigenen beiden. Gretchen ruft ständig an. Jerrod hat nie Zeit. Gretchen ist voller Leben. Jerrod kann in Minutenschnelle alles Leben aus einem Zimmer saugen.«
    Ich stützte meine Ellenbogen auf den Tisch, den Teebecher in den Händen. »Ich bekam ein kleines Mädchen, als Matthew zehn war, und er war begeistert. Aber wir wussten, dass Anna sehr krank war, und die Ärzte machten uns keinerlei Hoffnung. Jeden Tag betete Matt für seine Schwester. Walt und ich versuchten ihm zu erklären, dass Menschen manchmal nicht gesund werden, aber er glaubte es uns nicht. Er glaubte einfach nicht, dass Gott den Tod eines Kindes zulassen würde. Doch sie starb, und etwas in ihm veränderte sich.«
    »War er zornig?«
    »Ich glaube, es war kein Zorn, sondern Enttäuschung. Er war von Gott und von uns allen enttäuscht. Matthew war uns gegenüber nie aufsässig. Er war still, was in vielerlei Hinsicht schlimmer war. Als Walt krank wurde, fraß Matt einfach alles in sich hinein. Er konnte es nicht ertragen.
    Walt war nur etwa sechs Wochen lang krank. Mehr nicht. Matt lief, zwei Wochen bevor Walt starb, fort. Die Vorstellung, dass sein Vater im Sterben lag, war einfach mehr, als er verkraften konnte. Ich war am Boden zerstört, und Walt sagte immer wieder: ›Er wird zurückkommen, Gloria. Er wird nach Hause kommen. Ich bete, dass Gott ihm keine Ruhe gibt, bevor er nicht nach Hause gekommen ist.‹« Ich fuhr mit der Hand über das Notizbuch. »Sogar als er starb, sagte er es noch einmal. Walt war der Starke.«
    Ich öffnete das Notizbuch. »Das hier war Matthews Tagebuch. Ich wusste noch nicht einmal, dass er jahrelang ein Tagebuch geführt hatte. Es enthält Seiten über Seiten mit seinen Gedanken.« Ich blickte auf eine Seite und begann vorzulesen. »Heute haben

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