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Das Weihnachtsversprechen

Das Weihnachtsversprechen

Titel: Das Weihnachtsversprechen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Vanliere
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bis ich raus in die Öffentlichkeit gehe. Dann geht alles den Bach runter.«
    Miriam kicherte. »Hast du dich je kopfüber in einem Spiegel betrachtet?«
    »Was?« Ich hatte von so etwas noch nie gehört. Miriam lief los, um den Toaster zu holen, und hielt ihn unter mich. Ich beugte mich im Stuhl nach unten, konzentrierte mich auf mein Spiegelbild und schrie auf. »Was ist das?« Miriam verlor das Gleichgewicht und stolperte. »Ich sehe aus wie eine Außerirdische!« Mir die Augen reibend, löschte ich das Bild aus meiner Erinnerung. »Ich habe mich vor mir selbst erschreckt!«
    Sie stellte den Toaster mit einem dumpfen Schlag ab, und ihr rosa Chiffonmorgenmantel flatterte um sie herum, während sie in der Küche auf und ab lief undmit den Armen durch die Luft wirbelte. »Niemand warnt uns vor dem Alter«, rief sie. »Es kriecht einfach auf uns zu, setzt sich fest und durchzieht unser Gesicht mit Furchen. Es ist entsetzlich ungehobelt und rücksichtslos. Wir merken, wie der Körper schrumpft, die Sehkraft schwindet und wir uns den Rücken verrenken, wenn wir ein Buch aufheben!«
    »Vor ein paar Tagen bin ich in der Stadt hingefallen«, erzählte ich. »Ich habe einen jungen Mann gesehen und dachte, es sei Matt, dann sind die Füße einfach unter mir weggerutscht. Ich war so durcheinander, dass ich vergaß, ins Wilson’s zu gehen; aber das war der Grund gewesen, weshalb ich überhaupt in die Stadt gefahren war!« Miriam lächelte. »Als ich jung war, habe ich mir immer vorgestellt, auch in fortgeschrittenem Alter noch fit zu sein. Ich war mir sicher, mit Läufern mithalten zu können, die nur halb so alt wären wie ich. Wen habe ich da zum Narren gehalten?«
    Nachdenklich schob Miriam ihre Serviette vor sich hin und her. »Als ich noch jünger war und ständig am Theater arbeitete, dachte ich, dass es für mich immer Rollen geben würde. Wirklich dynamische Rollen, die starke, vor Leben sprühende Frauen verkörpern. Und solche Rollen gibt es da draußen auch«, sagte sie und sah zu mir hoch, »für jüngere Schauspielerinnen. Wenn du ein bestimmtes Alter erreicht hast, bist du nicht länger stark oder dynamisch, und vergiss die Blüte deines Lebens. Du wirst dazu verdammt, jemandes Großmutter oder seine wacklige alte Nachbarin zu spielen. Und ich finde, daran ist etwas faul.« Sie schlugmit der Faust auf den Tisch. »Alter ist doch bloß eine Zahl!«
    »Ich bin sechzig und stolz darauf!«, rief ich.
    Sie sah mich irritiert an. »Du meinst, dass ich tatsächlich
älter
bin als du?«
    Ich drückte ihre Hand. »Es kann unser Geheimnis bleiben.«
    Miriam seufzte. »Ich war fünfunddreißig, als ich Lynn heiratete, und meine Mom war zweiundsechzig. Ich erinnere mich, wie ich mich in meinem Kleid im Spiegel betrachtete und sagte: ›Ich fühle mich wie ein Teenager.‹ Und sie sah mich an und erwiderte: ›Das tue ich ebenfalls, Kleines.‹« Miriam schob die Hände unter ihr Kinn. »Ich fühle mich noch immer wie ein Teenager.«
    Ich lächelte. »Das tue ich ebenfalls, Kleines.«
    Sie sprang auf und begann, in der Küche hin und her zu laufen. »Ich weigere mich, diese
Alten
mentalität anzunehmen.«
    Ich stand stramm. »Preisen Sie diesen Schund hier nicht an, denn wir werden ihn nicht kaufen!«
    Sie streckte einen Finger nach dem anderen aus und kreuzte jeden vor mir, während sie ihre Liste herunterrasselte. »Ich werde
nicht
zu diesen albernen Seniorenpartys mit ihren scheußlichen Geschenken gehen. Ich werde
immer
den vollen Preis für eine Kinokarte bezahlen und nie – ich meine
nie
– um vier Uhr nachmittags in ein Restaurant gehen, um einen vergünstigten Seniorenteller zu bestellen.«
    Ich hob meine Hand, und Miriam schlug dagegen;dann hielten wir unsere aneinanderliegenden Hände in Siegespose hoch.
    Nach der Arbeit saß Chaz in der Mitte des Platzes auf einer Bank. Der Wind pfiff ihm um die Ohren, und er ließ ihn in seine Wangen und seinen Mund beißen. So musste es sich für Mike anfühlen, nur dass es hundertmal schlimmer war, weil er die ganze Nacht draußen blieb. Der Wind peitschte ihm ins Gesicht, und Chaz zog seinen Schal hoch.
    Er konnte die Kälte nicht mehr ertragen, darum ging er ein paar Blocks weiter in eine Bar. Sie schloss gerade, aber der Barkeeper ließ ihn ein paar Bier trinken, während er aufräumte. Der nur noch halb beleuchtete Raum war mit abgestandenem Zigarettenrauch erfüllt. In dem Raum hinter der Bar klirrten Gläser aneinander, gefolgt vom Wasserrauschen der

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