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Das weingetränkte Notizbuch: Stories und Essays 1944-1990Fischer Klassik PLUS (German Edition)

Das weingetränkte Notizbuch: Stories und Essays 1944-1990Fischer Klassik PLUS (German Edition)

Titel: Das weingetränkte Notizbuch: Stories und Essays 1944-1990Fischer Klassik PLUS (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
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Knabe.‹ Das waren seine Worte, ›absäbeln‹. Bei ihm heißt das ›absäbeln‹. Und fertig. Ich mag ihn nicht besonders.«
    »So ein blöder Hund«, sagte ich. »Dem werd ich was erzählen!«
    Er stieß einen Schwall Rauch aus. »Schon gut, Hank, vergessen Sie’s …«
    Dann ließ Bante die Hand mit der Zigarette am Bett herunterhängen. Er nahm sie nicht mehr hoch. Es war ganz still. Die Glut der Zigarette wanderte auf seine Finger zu. Mary nahm sie ihm ab.
    »Er ist wieder eingeschlafen. Es ist besser, Sie gehen jetzt. Ich bleib noch eine Weile. Sie können sich nicht vorstellen, wie viel es ihm bedeutet hat, dass Sie ihn besucht haben.«
    »Wir kommen wieder, Mary …«
    Auf dem Freeway kamen wir in den Feierabendverkehr. Es spielte keine Rolle. Alta und ich redeten nicht viel. Es lag auf der Hand: Was den Menschen zustieß, guten, schlechten, sogar schrecklichen Menschen, schien nicht gerade fair zu sein. Aber ›fair‹ war nur ein Wort aus dem Wörterbuch. Wir fuhren weiter zwischen den Blechfallen eines unfreien Lebens in einer unfreien Welt …

    John Bante überstand die Operation, die nächste Operation. Angefangen hatte das Ganze damit, dass ihm erst der eine, dann der andere Fuß abgeschnitten wurde. Dann hatten sie einfach immer weiter gesägt. Sonst wäre er vielleicht gestorben, aber viel besser schien mir die Alternative auch nicht zu sein.
    Mary rief an, er sei wieder zu Hause und sie würden dort gern einmal mit uns zu Abend essen. »Es gibt sogar Wein dazu«, sagte sie mir. Wir machten einen Tag aus.
    Als wir hinkamen, saß Bante am Tisch. In seinem Rollstuhl. Das war viel angenehmer, als ihn im Krankenbett liegen zu sehen. Sein Sohn Harry und dessen Frau Nana waren auch da. Mary machte uns miteinander bekannt. Wir setzten uns hin, und Mary schenkte den Wein ein.
    »Ich trinke ein Glas Wein mit Ihnen, Chinaski«, sagte John.
    »Das ehrt mich …«
    Wir hoben die Gläser.
    »Schmeckt er Ihnen, Chinaski?«
    »Ausgezeichnet, Bante.«
    »Harry und Nana haben Ihre Bücher gelesen. Jetzt sind sie süchtig danach.«
    »Ich war bei einem Meister in der Lehre, einem gewissen John Bante.«
    »Sie hätten es auch so geschafft.«
    »Vom Stil hab ich einiges übernommen. Aber, Teufel, inhaltlich unterscheiden wir uns. Sie schreiben wie ein guter Mensch; in mir steckt mehr ein Sauhund.«
    »Stimmt. Trinken Sie noch was. Mary, dass du mir Hank den Wein nicht ausgehen lässt.«
    Dann brachte Mary das Essen herein, und Nana half ihr. Nana hatte das Essen auch zubereitet. Es war köstlich. Wir aßen, ohne viel zu reden. Danach floss wieder der Wein.
    »Ich trinke noch ein Glas mit Ihnen, Chinaski! Heute ist mein großer Abend!«
    »Eins noch, dann ist Schluss«, sagte Mary.
    »Ich hab gehört, Sie sind öfter im Musso «, sagte John.
    »Jede Woche mal, als wir noch da gewohnt haben«, sagte Alta. »Seit wir in San Pedro sind, fahren wir nicht mehr so oft hin.«
    »Dann müssen Sie mal ins Chasen «, sagte Bante.
    »Das ist mir zu vornehm«, wandte ich ein.
    John war mitten beim zweiten Wein. Langsam kam er in Fahrt. Das gefiel mir. Ich merkte, wie die Lebensgeister in ihn zurückkehrten.
    »Ich war selbst oft im Musso . Einmal saß ich da am Tisch, und mein Lieblingsautor kam rein. Big Red. Wissen Sie, wer Big Red war?«
    »Nein …«
    »Sinclair Lewis.«
    »Herr Jesus!« Aber mehr sagte ich nicht. Sinclair Lewis war nicht mein Fall.
    »Hey, was rauchen Sie denn da? Das riecht ja merkwürdig!«
    »Das ist eine Zigarette aus Indien. Ohne Nikotin, schmeckt aber prima zu Wein.«
    »Geben Sie mir mal eine?«
    Ich schaute zu Mary. Sie nickte. Ich steckte eine an und gab sie ihm. Alta holte einen Aschenbecher.
    »Der Aschenbecher steht gleich hier, John. Wissen Sie, wo?«
    »Ja, danke. Jedenfalls saß ich da, und Big Red kam rein. Also das war, als ob man Gott sieht, verstehen Sie?«
    »Ja, ich weiß«, antwortete ich.
    »Jedenfalls setzte er sich mit so zwei Frauen an einen Tisch, und sie bestellten. Ich war noch ein Kind, ja … und da saß ich mit Sinclair Lewis im selben Raum … Sie brachten ihm eine Flasche Wein, und er machte sich mit den Damen ans Trinken. Big Red saß da. Ein Ding der Unmöglichkeit. Ich wollte ihn nicht behelligen. Ich hätte mich gern gebremst, aber es ging nicht. Ich war allein da. Ich hatte ein Notizbuch dabei und tat mehr oder weniger, als schriebe ich an einem Skript. Aber es kotzte mich an. Also hatte ich viele leere Seiten. Ich riss eine raus und ging zu Sinclair Lewis

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