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Das weingetränkte Notizbuch: Stories und Essays 1944-1990Fischer Klassik PLUS (German Edition)

Das weingetränkte Notizbuch: Stories und Essays 1944-1990Fischer Klassik PLUS (German Edition)

Titel: Das weingetränkte Notizbuch: Stories und Essays 1944-1990Fischer Klassik PLUS (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
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kann ich nicht ausstehen«, sagte er, »sie ist so einfühlsam wie ein Kartoffelkäfer.«
    »Wir haben Ihnen Blumen mitgebracht«, sagte Alta. »Wenn Sie sie nicht sehen können, können Sie sie wenigstens riechen. Hier …«
    »Ja, sie riechen gut … schön, dass Ihr gekommen seid …«
    »Hier ist keine Vase«, sagte Alta. »Ich schau mal, ob ich eine auftreiben kann.«
    Sie ging.
    »Und, Hank, wie sieht’s aus?«
    »Das wollte ich Sie auch fragen, aber ich hatte Angst vor der Antwort.«
    »Na ja, Dr. Säbel wetzt wieder die Klinge.«
    Ich setzte mich hin. »Brauchen Sie Wasser, Zigaretten? Muss die Bettpfanne geleert werden?«
    »Nein, alles in Ordnung …«
    »Aber sicher!«
    »Ich wünschte, ich wäre zu Hause. Hier kann ich nicht arbeiten.«
    »Ich weiß. Hören Sie, mir geht was durch den Kopf …«
    »Nämlich?«
    »Was ist denn aus der reizenden Carmen in Sporting Times geworden? Ist sie wirklich in der Wüste verschwunden?«
    »Nein, sie ist zurückgekommen. Sie hat sich als eine gottverdammte Lesbe entpuppt«, sagte er lachend.
    »Ach du Scheiße!«
    Alta kam mit den Blumen in einer Vase zurück. »Was ist denn das für ein Krankenhaus? Es war ja kaum eine Vase zu finden.«
    »Ein Zirkus ist das«, sagte Bante. »Heute Morgen war ein Typ da, der früher Tarzan gespielt hat; er rannte durch die Gänge und stieß seinen Urwaldschrei aus. Schließlich haben sie ihn wieder in sein Zimmer verfrachtet. Er ist harmlos. Aber ich glaube, seinetwegen ging’s uns allen besser. Er hat uns in die Zeit versetzt, als wir noch mit von der Partie waren …«
    »Ist er auch hier drin gewesen?«
    »Klar, aber ich hab die Fangzähne gebleckt, und weg war er … Vielleicht bin ich hier am besten aufgehoben. Zu Hause muss Mary immer mit der Schrotflinte dasitzen und aufpassen, dass mich die Müllabfuhr nicht mitnimmt …«
    »Reden Sie nicht so«, sagte Alta.
    »Am meisten machen mir meine Augen zu schaffen. Ich weine nicht, aber dauernd kommen mir die Tränen. Das hört angeblich nur auf, wenn ich mir die Augen rausnehmen lasse. Was meinen Sie dazu, Hank?«
    »Ich bin kein Arzt. Aber wenn’s um mich ginge, würde ich nein sagen.«
    »Wieso?«
    »Ich glaube immer an ein mögliches Wunder.«
    »Ich dachte, Sie wären ein gestandener Realist.«
    »Ich bin aber auch Spieler. Machen Sie noch ein Buch?«
    Johns Gesicht war graubraun gewesen. Es hellte sich auf, als er uns in groben Zügen erzählte, um was es gehen sollte.
    »Das hört sich sehr gut an«, meinte Alta.
    »Sie sollten’s schreiben«, sagte ich.
    Dann wurde es still. Das Reden hatte ihm geholfen, ihn aber auch müde gemacht. Sie hatten uns gesagt, er dürfe ruhig sprechen. Was wussten sie schon?
    Einige Minuten vergingen. Dann redete Bante wieder. »Es ist seltsam, wie sie sich alle verflüchtigt haben, meine Bekannten. Kumpel, gute Freunde … Leute, die ich seit Jahren, vielen, vielen Jahren kannte … Als mir das hier passiert ist, habe ich erst noch ein bisschen von ihnen gehört, und dann sind sie einfach weggeblieben. Sie leben in ihrer Welt, und da passe ich nicht mehr rein. Ich hätte nie gedacht, dass das mal so geht …«
    »Wir sind ja da, John …«
    »Ich weiß. Das ist schön … Sagen Sie mal, Alta … Ist Hank wirklich so knallhart, wie er schreibt?«
    »Nein, er ist butterweich. Hundert Kilo weiche Butter.«
    »Dachte ich mir.«
    »Also, John, die Idee für Ihren neuen Roman ist gut. Aber warum schreiben Sie nicht über das, was gerade abgeht? Wie Ihre ganzen tollen Freunde Sie im Stich gelassen haben und Ihnen weggelaufen sind?«
    Weggelaufen, hätte ich am liebsten gesagt, obwohl du da unter der Decke liegst, blind, ohne Beine, allein, stundenlang einfach nur daliegst. Derweil sie dem Geld, den Frauen oder den Männern nachjagen und auf Partys geistreiche Gespräche führen. Oder vor dem Großbildschirm hocken. Oder was diese Leute sonst so machen, diese Hollywoodianer, die nur Dreck, Dreck und noch mal Dreck produzieren, es aber ernstlich für etwas anderes halten, genau wie ihr Publikum.
    »Nein, nein, das möchte ich nicht.«
    John Bante, der gute Junge bis zum Schluss.
    »Was ich bei vielen Leuten immer wieder erlebt habe, ist Bitterkeit. Es ist furchtbar mitanzusehen, wie sie praktisch alle verbittern. So traurig, so furchtbar traurig …«
    »Da haben Sie recht, John«, sagte Alta.
    »Ich bin jetzt müde. Es ist besser, Sie fahren …«
    »Auf Wiedersehen, John …«
    »Wiedersehen …«
    Ich kümmerte mich um meine

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