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Das weingetränkte Notizbuch: Stories und Essays 1944-1990Fischer Klassik PLUS (German Edition)

Das weingetränkte Notizbuch: Stories und Essays 1944-1990Fischer Klassik PLUS (German Edition)

Titel: Das weingetränkte Notizbuch: Stories und Essays 1944-1990Fischer Klassik PLUS (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
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rein, und ich mach’s mit dir, Baby. Was hältst du davon?«
    »Hey, sind Sie verrückt? Raus hier!«
    Weiber. Sie meinen immer, ihre Muschi ist was Besonderes. Ich lief im Regen die Treppe hoch. Und klingelte bei Norse. Und er war nicht da.
    Ich wollte schon immer Songschreiber sein. Jetzt, wo ich nichts zu tun hatte, fing ich an, mir einen Song (über mich selbst) auszudenken:
    Ach, wozu dich retten,
     di da da
    ach, wozu dich retten,
     da da da da …
    Verdammt. Das war aus Carmen , und ich hasste Carmen .
    Ich wusste nicht mehr, wo ich meinen Wagen abgestellt hatte, und lief einfach los. Ich lief und lief durch den Regen. Ich kam zu einer Bar. Ging rein. Für so einen Regenabend war der Laden ziemlich voll. Ich sah einen einzigen freien Platz. Bei einer jungen Frau. Nichts Besonderes, aber ich dachte, ich versuch’s mal.
    »Hey, Baby, ich bin Schriftsteller. Ein bedeutender Schriftsteller!«
    Sie wandte mir voll ihr Gesicht zu. Unter der Haut sah ich den Hass hochkommen.
    »HEY, TYP!«, schrie sie so laut, dass man es in der ganzen Bar hörte, »GEH MIR BÜTTE NICHT AUF DIE NERVEN!«
    Der Barmann wartete auf meine Bestellung.
    »Doppelten Scotch mit Wasser.«
    Ein speckiger kleiner Kerl in Schlips und Kragen trat hinter sie. »Oh, Helen, mein Schatz!«
    »Oh, Robbie! Robbie! Endlich mal wieder, endlich !«
    Robbie nahm eine Rose aus seinem Knopfloch und reichte sie ihr. Dann gab er ihr einen Kuss auf die Wange. »Oh, Robbie!!«
    Wo war ich gelandet? Unter einer Horde Schauspielern? Sie benahmen sich alle wie vor laufender Kamera. Es war, als säße man bei Barney’s .
    »Wer ist der Typ?«, fragte er sie. Er meinte mich.
    »Ich bin Allen Ginsberg«, sagte ich, »und sie will nicht mit mir reden.«
    Wieder wandte sie mir dieses Gesicht zu. Wie ein Donnerkeil aus Kitt.
    »DU BLÖDER HUND! MEINST DU, ICH WEISS NICHT, WIE ALLEN GINSBERG AUSSIEHT?«
    »Warum schreien Sie denn so? Sie bringen mich sehr in Verlegenheit. Das ist ungerecht.«
    »WEIL DU MICH NERVST! DESHALB! DU NERVST MICH!«
    »Hör mal«, ich beugte mich näher zu ihr, »mach’s dir doch mit dem Finger.«
    »Robbie! Hast du gehört, was der gesagt hat?«
    »Nein, Schatz, was hat er denn gesagt?«
    »ICH SOLL’S MIR MIT DEM FINGER MACHEN! DIE DRECKSAU!«
    Ich trank meinen Scotch aus.
    »Hör mal, Freundchen«, sagte Robbie, »ich kenn dich zwar nicht, aber mir scheint, du willst dir eine dicke Lippe holen!«
    Eine dicke Lippe? Herrgott, das war James Cagney. 1935?
    Also gab ich ihm Cagney zurück. »Okay, Baby, wenn du tanzen willst – ich warte draußen!«
    Eigentlich hatte ich vor, rauszugehen und draußen rumzulaufen, bis ich meinen Wagen fand, aber ich hörte, wie er hinter mir herkam.
    Die ganze verdammte Bar stand auf und folgte uns nach draußen.
    »KILL DAS SCHWEIN, ROBBIE!«
    »GIB IHM SAURES, ROBBIE!«
    »KILL IHN, ROBBIE! SONST MACHEN WIR DAS!«
    O Herr, erbarme dich meiner armen Seele, dachte ich. Ich bin fünfzig. Ich habe Ohnmachtsanfälle. Schon wenn ich mir den Schuh binde, wird mir schwarz vor Augen und alles dreht sich. Ich bin geliefert. Warum war Norse nicht zu Hause? Warum bringe ich mich so in die Klemme? In jeder Bar, überall, immerzu?
    Robbie schubste mich, und ich kam etwas aus dem Tritt, ließ die Hände aber noch unten. Dann versetzte er mir einen Schlag. Voll auf die Nase. Gut, dass ich blau war. Es tat nicht weh. Dann gab er mir eins auf den zottigen Kinnbart. Ich spürte nichts. Ich lächelte.
    Dann holte ich aus. In Zeitlupe. Ein lausiger Schlag. Nichts dahinter. Ich schickte ihn nur ab, um mit von der Partie zu sein. Keinesfalls ein harter Schlag. Ein fetter, nach Bier stinkender 100-Kilo-Schlag.
    Robbie schrie, als würde ihm ohne Betäubung ein Zahn gezogen.
    Er krümmte sich, klappte halb hintenüber, kippte nach vorn und fiel auf die Knie. Dann warf er sich nieder wie jemand, der unter einer Welle durchtaucht. Und schlug lang hin. Auf den nassen, verdreckten Beton. Einen Augenblick kam ich mir vor wie der junge Jack Dempsey, aber ich wusste es besser. Robbie war verrückt. Irgendwas stimmte nicht mit ihm … Allmächtiger, er war ein noch größerer Feigling als ich! Wie konnte das Leben doch schön sein!
    Als er hochkam, sah er seltsam mitgenommen und kaputt aus. Das eine Hosenbein war aufgerissen, und auf dem Knie, das durch das Loch blinkte, sah ich Blut.
    »Willst du noch was, Arschloch?«, fragte ich ihn, ganz der harte Kerl.
    »Deine Scheiße stinkt!«, fauchte er.
    Das fand ich eine gute Antwort.

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