Das weingetränkte Notizbuch: Stories und Essays 1944-1990Fischer Klassik PLUS (German Edition)
und mir vom Hintern rutschte.
Ich lief in eine Seitenstraße, kam zu einem alten Haus, stellte mich auf die Veranda.
Ein Typ kam an die Tür. Hinter ihm eine Frau. Drinnen ein Fernseher. Die Heizung war an. Warmes gelbes Licht.
»HEY, MANN! WAS MACHEN SIE AUF MEINER VERANDA?«
»Friede, Bruder«, sagte ich. »Es regnet. Ich will mich hier nur unterstellen. Ich führe nichts Böses im Schilde.«
»Sie haben auf unserer Veranda nichts verloren«, sagte die Frau über seine Schulter hinweg.
»Nein, und sobald der Regen aufhört, gehe ich.«
»Wir möchten, dass Sie jetzt gleich gehen«, sagte der Mann.
»Hören Sie, ich mache doch gar nichts …«
»Verschwinden Sie von unserer Veranda!«, sagte der Mann.
»Ja, verschwinden Sie!«, schob die Frau nach.
»Scheren Sie sich zum Teufel«, sagte ich leise.
»Suchen Sie Streit?«
»Ja, ich suche Streit.«
Ich wartete darauf, dass er rauskam. Aber er ging ins Haus und griff zum Telefon. Er rief die Polizei. ERBARMEN!
Mit einem Satz sprang ich von der Veranda in den unmenschlichen Regen. Ich lief bis zum Ende des Blocks, bog nach Osten ab und spazierte weiter durch die Suppe. Wenn du mal Pech hast, lässt es dich so schnell nicht los. Ich kam mir minderwertiger vor als ein Floh an einem Hundearsch.
Das also war Venice? Das neue Village von L. A. – aber wo waren die Schriftsteller, die Maler, die Hippies, die Penner? Wenn es regnete, hatten sie alle ein trockenes Plätzchen. Betrug war das. Ich lief als Einziger draußen im Regen herum.
Dann fiel mein Blick plötzlich auf einen Wagen, der wie meiner aussah. Unmöglich. Ich ging näher ran. Genau … ein popeliger blauer 62er Comet. Es war meiner! Na ja, noch 4 Raten. Aber MEINER! Mir gehörte was …
Hatte ich nach der ganzen Rauferei noch die Schlüssel? Ich hatte den Wagen schon mal auf diese Art wiedergefunden. Nach einem Gerangel mit 3 kleinen Mexikanern in East L. A. Die Brieftasche hatte ich noch gehabt, die Schlüssel nicht.
Ich tastete – sie waren noch da. Nasse, sandige Wunderschlüssel.
Ich schloss die Tür auf und stieg ein. Sogar der Motor sprang an, wenn auch zögernd. Ich saß da und ließ ihn noch warmlaufen, als der Streifenwagen vorbeikam. Ich sah zu, wie er um die Ecke bog und zu dem Mann mit der eifersüchtig gehüteten Eingangsveranda fuhr. Ich legte den Gang ein und verschwand.
Als ich heimkam, zog ich meine Sachen aus, rubbelte mich ab, stieg in den japanischen Kimono, den mir John Thomas geschenkt hatte, und machte ein Bier auf.
Das Telefon klingelte. Ich hob ab.
»Bordell Bukowski.«
»Hank?«
»Ja.«
»Hier ist Hal, wo warst du? Ich hab versucht, dich zu erreichen.«
»War auf der Rennbahn.«
»Und?«
»Schlechte Karten, echt.«
»Was bei rumgekommen?«
»Plus minus null.«
»Stangos hat sich gemeldet. Er hat mir Penguin 13 geschickt. Dir auch?«
»Ja.«
»Das Cover sieht aus wie eine Muschi. Felswand, aber sieht nach Muschi aus.«
»Menstru-Muschi. Hätten sie mal ’ne richtige abgebildet.«
»In den Staaten kommt’s am neunundzwanzigsten Juni raus. Aber in England ist es schon … blabla … Nikos sagt, es ist das beste in der Reihe … blabla … Establishment bla Studentengruppen blabla uns schon am blabla Arsch kriegen … Beiles hat eine gute Besprechung geschrieben blablabla London Magazine wollte nicht blablabla dann blablablablabla einer Zeitung in Südafrika bla und die wollte auch nicht blablabla Kuhhandel bla die wollen uns am Arsch kriegen bla.«
»Klar.«
Er redete noch ein Weilchen, dann gaben wir es auf. Ich trank das Bier aus und machte ein neues auf, und wieder fing es an zu schütten … lebenslang Zusammengespartes wurde in Canyons geschwemmt, in Erdspalten gespült, unversichert, die Versicherungen hatten Bescheid gewusst, die Architekten und Bauunternehmer hatten Bescheid gewusst … in einer Viertelstunde würde ich mir 2 (große) Sixpacks holen gehen, nur musste ich erst noch raus aus dem Kimono. 2 Sixpacks, 3 Zigarren und die L. A. Times .
Das Telefon klingelte.
»Wo warst du, Hank? Ich hab versucht, dich zu erreichen. Deine Kleine will mit dir reden.«
Die Kleine war vier, und die Frau holte sie an den Apparat, und ich lachte und trank mein Bier, während sie hochernst mit mir plauderte. Und sehr vernünftig. Aus dem Nähkästchen. Alles war irgendwie sehr ernst und sehr lustig zugleich, während ich ihr und dem Regen zuhörte und dem ständigen Sirenengeheul draußen. Von ungefähr fielen mir merkwürdige
Weitere Kostenlose Bücher