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Das weingetränkte Notizbuch: Stories und Essays 1944-1990Fischer Klassik PLUS (German Edition)

Das weingetränkte Notizbuch: Stories und Essays 1944-1990Fischer Klassik PLUS (German Edition)

Titel: Das weingetränkte Notizbuch: Stories und Essays 1944-1990Fischer Klassik PLUS (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
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und sagen, was ich von euch halte? Ich hoffe es. Aber passt auf, dass ihr gerade das nicht im Namen irgendeiner Gerechtigkeit sausen lasst. Ich verlange ein Programm, damit ich zwischen euch und denen wählen kann, zwischen Revolution und der bestehenden Regierung. Teilt ihr mich zur Arbeit auf einer Zuckerrohrplantage ein? Das würde mich langweilen. Baut ihr neue Fabriken? Ich bin mein Leben lang vor Fabriken weggerannt. Müsste meine ganze Schreiberei, meine Musik, meine Malerei zum Vorteil des Staates sein? Könnte ich auf Parkbänken und in winzigen Zimmern herumliegen, Wein trinken, träumen und es mir gutgehen lassen? Lasst mich wissen, was ihr für mich habt, bevor ich eine Bank abfackele. Ich brauche mehr als Hippieperlen, einen Bart, ein Indianerstirnband und legalisiertes Gras. Was habt ihr für ein Programm? Ich bin die ganzen Toten leid. Die umsonst Gestorbenen. Muss ich dem Bajonett eines Nationalgardisten entgegentreten, möchte ich wissen, was ihr mir gebt, wenn ich es ihm abnehme.
    Sagt mir das.

Der silberne Christus von Santa Fe
    Dann bekam ich einen Brief von Marx, der nach Santa Fe gezogen war. Er schrieb, er würde mir die Zugfahrt bezahlen und ich könnte bei ihm wohnen, wenn ich für eine Weile runterkäme. Er und seine Frau wohnten mietfrei bei so einem reichen Psychiater. Der Psychiater wollte, dass sie ihre Druckerpresse da aufstellten, aber die Presse war zu groß, sie ging durch keine Tür, und der Psychiater hatte ihnen angeboten, eine Wand einzureißen, damit sie die Maschine reinstellen konnten, und die Wand dann wieder hochzuziehen. Ich glaube, das machte Marx zu schaffen – dass seine geliebte Presse da so eingesperrt werden sollte. Deshalb wollte Marx, dass ich zu ihm kam und mir den Psychiater ansah und ihm sagte, ob der Psychiater okay war. Ich weiß nicht genau, wie es dazu kam, aber ich hatte mit diesem reichen Psychiater, der zugleich ein miserabler Dichter war, eine Zeit lang korrespondiert, ohne ihn persönlich kennenzulernen. Außerdem hatte ich mit einer Dichterin, einer nicht besonders guten Dichterin, namens Mona korrespondiert, und ehe ich mich’s versah, hatte sich der Psychiater von seiner Frau und Mona sich von ihrem Mann scheiden lassen, und dann hatte Mona den Psychiater geheiratet, und jetzt war Mona da unten, und Marx und seine Frau waren da unten, und die Exfrau des Psychiaters, Constance, hing ebenfalls noch herum. Und da sollte ich nun hinfahren und schauen, ob alles in Ordnung war. Marx dachte, ich kenne mich aus. Er hatte recht. Ich konnte ihm sagen, dass gar nichts in Ordnung war – um das zu schnallen, brauchte man kein Weiser zu sein, aber Marx fehlte wahrscheinlich der Abstand, und mietfrei wohnen hatte auch was, und deshalb schnallte er es nicht. Du lieber Gott. Nun, ich schrieb gerade nichts. Ich hatte ein paar dreckige Stories für Sexblätter verfasst und verkauft. Die Sexblätter wollten mehr dreckige Stories von mir, als ich auf Lager hatte. Folglich war es Zeit, Stoff für die nächste dreckige Story zu sammeln, und ich hatte das sichere Gefühl, dass in Santa Fe eine dreckige Story wartete. Also bat ich Marx, mir das Geld zu drahten …

    Der Psychiater hieß Paul, falls das von Belang ist.
    Ich saß gerade mit Marx und seiner Frau Lorraine zusammen und trank ein Bier, als Paul mit einem Highball hereinschneite. Ich weiß nicht, wo er plötzlich herkam. Überall am Hang hatte er Häuser. Hinter der Tür auf der Nordseite waren vier Badezimmer mit vier Badewannen und vier Klobecken. Es schien, als wäre Paul geradewegs aus den vier Badezimmern mit den vier Badewannen und den vier Klobecken hereinspaziert, den Cocktail in der Hand. Marx stellte uns einander vor. Zwischen ihm und Paul herrschte eine unausgesprochene Feindseligkeit, weil Marx irgendwelchen Indianern erlaubt hatte, in mindestens einer der Badewannen zu baden. Paul konnte Indianer nicht leiden.
    »Hören Sie, Paul«, ich nippte an meinem Bier, »darf ich Sie was fragen?«
    »Was denn?«
    »Bin ich verrückt?«
    »Das herauszufinden wird teuer.«
    »Vergessen Sie’s. Ich weiß es schon.«
    Dann kam Mona, wie es schien, aus dem Badezimmertrakt. Sie hielt ein Kind aus einer anderen Ehe im Arm, einen Jungen von drei oder vier Jahren. Beide hatten geweint. Ich wurde Mona und dem Jungen vorgestellt. Dann gingen sie irgendwoanders hin. Dann ging auch Paul mit seinem Cocktailglas davon.
    »Paul veranstaltet Dichterlesungen bei sich«, sagte Marx. »Jeden Sonntag. Vorigen Sonntag war ich

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