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Das weingetränkte Notizbuch: Stories und Essays 1944-1990Fischer Klassik PLUS (German Edition)

Das weingetränkte Notizbuch: Stories und Essays 1944-1990Fischer Klassik PLUS (German Edition)

Titel: Das weingetränkte Notizbuch: Stories und Essays 1944-1990Fischer Klassik PLUS (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
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verlor ich das Interesse. Sport war so hirnrissig wie alles andere, wenn nicht noch mehr.
    Ich entdeckte eine kleine Bibliothek zwischen dem La Cienega und dem West Adams Boulevard. Ich fing an, auf eigene Faust dort nach Büchern zu stöbern. Ein gutes Buch fand ich, indem ich eins aufschlug und mir den Satzspiegel ansah. Wenn das Gedruckte auf dem Papier gut aussah, las ich einen Absatz. Las sich der Absatz gut, las ich das Buch. So entdeckte ich D. H. Lawrence, Thomas Wolfe, Turgenjew – nein, halt, Wolfe kam etwas später in der großen Bibliothek im Zentrum, aber in der kleinen Bücherei fand ich noch den alten Upton Sinclair, Sinclair Lewis, Gorki und den bärenstarken Fjodor Michailowitsch Dostojewskij. Sie allesamt lange bevor mir irgendjemand sagte, dass sie aus dem üblichen Quark rausragen, mit dem die Bibliotheken vollgestopft sind. Wobei nur Dostojewskij und einige Kurzgeschichten von Turgenjew heute noch für mich Bestand haben.
    Falls es Sie noch interessiert, ich zog bei den lieben Eltern aus und nahm mir eine Wohnung Ecke Third und Flower, wo ich allein vom Glück lebte – das war damals meine Fähigkeit, im Wettsaufen und im Würfeln zu gewinnen. Glück hatte ich auch beim Münzenwerfen mit je zehn Dollar Einsatz.
    Ecke Third und Flower warf mich der alte Mann raus, dem das Haus gehörte. Er baute sich vor mir auf und sagte: »Jungchen, du nimmst mir hier den Laden auseinander.« Er hatte Mundgeruch. Und Ratten. »Du nimmst mir den Laden auseinander und hältst die ganze Nacht die Leute wach. Wir haben viele alte Leutchen hier, die einfach ihre Ruhe haben wollen. Du musst raus.«
    Mist. Ich kannte die Alten. Für sie gab’s nur zweierlei – Gott oder Wein. Und die Gottgläubigen beschwerten sich.

    Ich fand eine Bleibe in der Temple Street, dem damaligen Filipinoviertel, trank heftig und hatte weiterhin Glück im Spiel. Mein Zimmer wurde wieder zum Zockertreff, aber die robuste Wirtin hatte anscheinend nichts dagegen, sondern schickte als Mitinhaberin der Kneipe unten, glaube ich, sogar noch manchen Zocker zu mir hoch. Ich trank beim Spielen und blieb dadurch locker genug, um zu gewinnen. Meine Tour war immer dieselbe: Irgendwann im Lauf des Abends hatte ich im Spiel die Nase vorn, und sobald ich den gewünschten Betrag zusammenhatte, wankte ich durch die Bude und machte auf wütend und betrunken. »So, jetzt aber raus mit euch! Herrgott nochmal, wisst ihr nicht, wo ihr pennen sollt? Das ist hier weder die Mission noch ein Franzosenpuff! Ich wohne hier!« Dann stieß ich ein paar saftige Flüche aus, warf ein Wasserglas voll Whiskey an die Wand und schrie: » Raus , hab ich gesagt!«
    Sie marschierten zur Tür.
    »Die nächste Runde beginnt morgen Abend um sechs. Bis dann. Seid pünktlich.«
    Sie zogen ab. Ich war immer noch der harte Hund. Oder der Bluffer. Ich wusste es nicht.
    Es lief immer besser, bis ich mich eines Abends mit einem Typ in die Wolle bekam, den ich für meinen Freund hielt. Er war bei den Marines, aber trotzdem ein klarer Kopf und konnte beim Trinken fast mit mir mithalten, nur hatte er eine Vorliebe für Thomas Wolfe und Teddy Dreiser. Das Dumme daran war, dass Wolfe zwar gut war, aber wenig vom Schreiben verstand, und dass Dreiser intelligent war, aber überhaupt nicht schreiben konnte.
    Eines Abends, nachdem die Zocker gegangen waren, setzten wir uns mit dem Whiskey hin und versuchten das auszudiskutieren. Dabei sagte ich ihm gleich noch, dass Faulkner Kinderspielchen trieb. Tschechow, nein – ein Spielzeug für Wohlstandsbürger. Steinbeck: ein Techniker. Hemingway, nur die halbe Miete. Er mochte sie alle . So ein Knallkopf. Dann sagte ich, Sherwood Anderson könne besser schreiben als die ganze Bagage zusammen. Da ging’s los.
    Es war ein guter Kampf. Kein Spiegel, nicht ein Möbelstück im Zimmer blieb heil.
    Können Sie sich vorstellen, dass man eine Schlägerei wegen literarischer Fragen anfängt statt wegen einer Mieze, die es nicht verdient? Wir waren genauso verrückt.
    Ich weiß nicht, wer die Schlägerei gewonnen hat. Wahrscheinlich er. Aber als ich am Morgen aufwachte und mich umsah, hielt ich es nicht für gerechtfertigt, die Reparaturkosten allein tragen zu müssen. Ich raffte mein Geld zusammen, verschwand und nahm den Bus nach New Orleans.
    Unbeeindruckt vom French Quarter, das ich als Blenderei ansah, hielt ich mich westlich der Canal Street und schlief bei den Ratten. Irgendwie beschloss ich, Schriftsteller zu werden. Ich fing an, Short Stories zu

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