Das weingetränkte Notizbuch: Stories und Essays 1944-1990Fischer Klassik PLUS (German Edition)
drauf kam der Vormann mit einer Story in der Hand zu mir. »Gucken Sie mal hier«, sagte er. »Die haben in der Zeitschrift einen Typ, der genauso heißt wie Sie.«
»Nein«, sagte ich, »das bin ich.«
»Mach mich schwach! Die Story ist von Ihnen?«
»Ja.«
Ein paar Tage später wurde ich in die Personalabteilung bestellt. Ich hatte wegen Trunkenheit zwei, drei Tage verpasst. Eine hübsche junge Schnalle saß da.
»Sind Sie Charles Bukowski?«
»Ja.«
»Sie haben die Geschichte in Story geschrieben?«
»Ist das wichtig?«
»Wir möchten Sie zum Vormann der Buchversandabteilung befördern.«
»Das liegt bei Ihnen«, sagte ich ihr.
Ich wusste, dass es eine Dummheit war. Schreiben zu können hieß nicht, auch sonst noch was zu können.
Ich war kein besonders guter Vormann. Ich kam betrunken zur Arbeit und trieb die Packer mit dem Hammerstiel an, während sie die Versandkisten zunagelten. Aber sie mochten mich. Das war ein Fehler – ein guter Vormann wird gefürchtet. Furcht treibt die ganze Welt an.
Meine Aufgabe war, die in den Sargkisten versandten Bücher nachzuzählen, den Lieferschein zu unterschreiben und ihn beizulegen, bevor ich sagte: »Zunageln!« Ich tat nur so, als ob ich nachzählte. Es war so leicht und so langweilig. Und sie kannten sich besser damit aus als ich. Ich machte bloß die Augen zu, tat als ob ich zählte, unterschrieb den Schein und rief: »Okay, zunageln.«
Ich war genug in der Welt herumgekommen, um zu wissen, dass sich bald rumsprechen würde, was ich mir für einen Lenz machte, daher ging ich, ehe die Werksaufsicht mit dem Finger auf mich zeigte.
Doch bevor ich aus der Stadt verschwand, passierte etwas sehr Erstaunliches. Ich begegnete meinem Idol! Ich traf Whit Burnett, den mächtigen Herausgeber der Story . Aber er traf mich nicht. Denn er wusste nicht, wie ich aussah. Ich hingegen kannte ihn von vielen Fotos. Ich spazierte Richtung Norden, er Richtung Süden. Der weltbeste Zeitschriftenherausgeber kam auf mich zu. Er hatte einen Ausdruck von Schmerz in den Augen, und die Augen waren schön, aber es schien mir ein etwas gehätschelter, behüteter Schmerz zu sein. In dem Moment wusste ich, dass wir sehr verschieden waren. Ich hielt mir den Bauch und lachte mich krumm vor ihm. Mein Idol war entzaubert. Es war ein richtig gutes Lachen, ohne Bosheit. Er starrte mich kurz an und ging dann weiter.
Nun, ich kam auch in Caresse Crosbys Portfolio unter. Da landete ich neben Henry Miller, Genet, Sartre, Lorca und vielen anderen, die ich vergessen habe, weil meine zwei Belege mir seither von Freunden gestohlen worden sind.
Dann klinkte ich mich aus. Hörte auf zu schreiben. Gab es auf. Soff zehn Jahre lang. Ich ließ mich wieder in Los Angeles nieder. Arbeitete gerade genug, um mich am Leben zu halten. Soff beinah genug, um mich umzubringen. Wurde der große Stecher der Nutten in der Alvarado Street.
Bei meinem Glück konnte es nicht ausbleiben, dass ich die schönste Ungezähmte von ihnen allen kennenlernte – Jane, ein altmodischer Name, aber wildes, halb irisches, halb indianisches Blut. Nichts als Launen und Irrsinn, aber schöne Beine, schöner Arsch und ein bestimmtes Flair – eine innere Kraft. Damit meine ich, das meiste, was sie sagte, traf den Nagel auf den Kopf, und es gab nie einen besseren Fick.
Ich weiß nicht, was es war mit ihr im Bett. Ich glaube, es lag daran, dass sie Sex ebenso sehr genoss wie sie ihn verabscheute – sie machte einem nie was vor –, bis ihr Widerstand schließlich schmolz und sie sich ganz und gar hingab. Außerdem hatte sie eine wunderschöne Möse.
Ich erinnere mich an den Abend, als ich sie kennenlernte und mit ihr aus der Bar ging. Big Johnny, das Vertreter-Ass, meinte zu mir: »Die zähmt keiner, Hank, aber ich glaub, wenn’s einer schafft, dann bist du das.«
Sie war gut und teuer gekleidet, besonders die Schuhe, und sie sah nicht nach Ärger aus. Ich holte mir zwei Flaschen Bourbon, jede Menge Zigaretten, und wir fuhren mit dem Taxi zu mir, wo es ausnahmsweise ziemlich sauber war. Eine Zeit lang ging alles gut. Ich verfrachtete sie auf die Couch, sie schlug die schönen Beine übereinander, ich redete mit ihr, dachte daran, wie ich sie ficken würde, gab ihr die eine Flasche Bourbon, machte mir die andere auf und sagte zu ihr: »Trink aus der Flasche.«
»Du hältst dich für Mr Van Bilderass, was?«
»Eigentlich nicht. Mein Leben ist ziemlich hart.«
»Unsinn! Du hältst dich für Mr Van Bilderass!«
Janes Augen
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