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Das weingetränkte Notizbuch: Stories und Essays 1944-1990Fischer Klassik PLUS (German Edition)

Das weingetränkte Notizbuch: Stories und Essays 1944-1990Fischer Klassik PLUS (German Edition)

Titel: Das weingetränkte Notizbuch: Stories und Essays 1944-1990Fischer Klassik PLUS (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
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schreiben, in Druckschrift, mit Tinte, und schickte sie an Harper’s , die Atlantic oder den New Yorker . Wenn sie zurückkamen, zerriss ich sie.
    Ich schrieb sechs bis zehn Stories die Woche, trank Wein und hockte in billigen Kneipen herum.
    Ich musste schlecht bezahlte, öde Jobs mit langer Arbeitszeit annehmen und zog von einer Stadt zur anderen – Houston, Los Angeles, St. Louis, zwei Mal Frisco, New York, Miami Beach, Savannah, Atlanta, Fort Worth, Dallas, Kansas City, und ein paar habe ich wahrscheinlich noch vergessen.
    Ich arbeitete in Schlachthöfen, Gleisarbeiterkolonnen, als Versandangestellter, als Annahmeangestellter. Ich war sogar beim Amerikanischen Roten Kreuz (bravo!), war Vormann in einem Buchvertrieb. Außerdem am Treseneck süffelnder Laufbursche in der Fairmount Avenue in Philly, der den großen Jungs ihre Sandwiches kaufen ging. Ein Bier oder ein Whiskey als Trinkgeld, meistens ein Bier.
    Ich habe einige Spiritussäufer kennengelernt, Sternos. Neben der mörderischen Fahne war das Beste an ihnen, dass man in ihrem schwammigen Genuschel ab und zu ein Juwel entdecken konnte. Ich schloss mich ihnen aber lieber nicht an.
    Ich wurde ein Säufer wie die anderen, dachte an Selbstmord, saß tagelang bei runtergelassenen Rollos in kleinen Zimmern herum und fragte mich, was da draußen los war und was damit nicht stimmte – und ob mein Vater, ich selbst oder die Gesellschaft daran schuld war.
    Ich war Kriegsgegner in kriegsfreundlichen Zeiten. Ich konnte gute nicht von bösen Kriegen unterscheiden – kann ich immer noch nicht. Ich war Hippie, als es noch keine Hippies gab; ich war Beat vor den Beats.
    Ich war eine Ein-Mann-Demo.
    Ich war da im Untergrund wie ein blinder Maulwurf, und andere Maulwürfe gab es gar nicht.
    Deshalb konnte ich keinem Trend folgen, sah ich keinen Sinn darin. Ich hatte alles schon hinter mir. Und als Tim Leary fünfundzwanzig Jahre nach meinem Ausstieg zum Aussteigen riet, fand ich das nicht weiter aufregend. Learys großes »Drop out« bestand darin, dass er irgendwo seinen Lehrstuhl verloren hatte (Harvard?).
    Ich war Underground, als es noch gar keinen Underground gab. Ich war der Dirty Young Man. Von einsachtzig und 98 Kilo strammer Muskeln kam ich runter auf 63 Kilo Haut und Knochen. Ich wanderte in den Knast, wo ich eine Zelle mit Courtney Taylor teilte, dem großen Schwindler und damaligen Staatsfeind Nummer eins. Arrest wegen Landstreicherei natürlich. Bei mir, nicht bei Taylor.
    Und als ich rauskam, ging ich wieder nach Philly, wohnte in den Logierhäusern und wurde einmal die Woche rausgeworfen.
    Wenn ich morgens um neun die Straße runterlief, hörte ich die alten Damen auf ihren Schaukelstühlen von der Veranda fauchen: »Guck mal, der junge Mann da. Jetzt schon betrunken! Bei mir hab ich ihn rausgeworfen. Gelobt sei Gott, dass ich den losgeworden bin!«
    Diese alten Hühner, deren Männer sich längst totgeschuftet haben, damit sie immer Spitzenhöschen zum Anziehen hatten. Die alten Hühner, denen kein Spitzenhöschen mehr stand und für die ich an allem schuld war, weil ich mich nicht an irgendeiner idiotischen Bohrmaschine krummbuckelte.
    »Haben Sie Arbeit?«, fragten sie immer gleich, wenn ich bei ihnen anklopfte.
    »Klar«, sagte ich dann und meinte damit die Arbeit, am Leben zu bleiben, diesen Knochenjob. Und dann ließen sie einen erst mal rein, und an den Wänden prangten Parolen wie GOTT ERHALT’S!

    Dann war ich anscheinend im New Yorker Village – im alten Village, einem Stall voller Angeber, so wie ich mir das neue Village heute auch vorstelle. Der Künstler muss in Bewegung bleiben, den Pappnasen immer einen Schritt voraus sein.
    Dort im Village kam ich an einem Drugstore vorbei, und im Zeitschriftenständer lag die damals berühmte Zeitschrift Story , herausgegeben von Whit Burnett und Martha Foley. In der Story gedruckt zu werden hieß, man war tatsächlich so etwas wie ein Genie. Ich hatte schon ab und zu bei ihnen angeklopft, im Rahmen der Atlantic-Harper’s-New-Yorker -Startversuche. Ich griff nach der Zeitschrift, um einen Blick reinzuwerfen, da sah ich meinen Namen auf dem Titel! Sie hatten mich drin. Mit vierundzwanzig. Ich hatte so schnell die Adresse gewechselt, dass die Post nicht hinterhergekommen oder verlorengegangen war. Ich schnappte mir das Heft, ging zur Kasse und bezahlte es.
    Inzwischen hatte ich mir notgedrungen einen Job als Lagerbursche oder so etwas in einem Buch- und Zeitschriftenvertrieb gesucht. Ein paar Tage

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