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Das weingetränkte Notizbuch: Stories und Essays 1944-1990Fischer Klassik PLUS (German Edition)

Das weingetränkte Notizbuch: Stories und Essays 1944-1990Fischer Klassik PLUS (German Edition)

Titel: Das weingetränkte Notizbuch: Stories und Essays 1944-1990Fischer Klassik PLUS (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
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außer mir verstanden die Witze. Wählt ein Schwein zum Präsidenten. Was sollte der Scheiß? Sie fanden es aufregend. Mich langweilte es.
    Ich war der Meinung, wenn ein ANGRIFF vorgesehen war, dann sollten wir uns mit den neuesten Waffen ausrüsten, uns für den Kampf ausbilden, die Handlanger beseitigen und das Ding durchziehen. Ich war noch nicht mal ein Revolutionär, aber ich wusste, wie ein echter Revolutionär denken sollte. Die Kids verlegten sich letztlich auf den großen romantischen Traum und machten es sich gegenseitig mit der Hand.
    Sie kasperten nur rum. Sie hatten nicht den Mumm. Fast bereitwillig ergaben sie sich dem Establishment.
    Bei einem Treffen ereiferten sich alle über die Sache in Chicago. Alle redeten gleichzeitig. Chicago war noch nicht passiert. Schließlich hob ich, angetrunken, die Hand und durfte reden:
    »Das Establishment ist sehr viel klüger, als ihr ihm zugesteht. Es wird nur gerade so viel Gewalt einsetzen, wie nötig ist, um euch auszuschalten. Ich bezweifle, dass ihr in Chicago unter MG-Beschuss kommt oder in Massen abgeschlachtet werdet. Natürlich wird Blut fließen – nicht zu wenig – und Papa wird euch den Hintern versohlen. Aber begreift ihr nicht, dass sie um das weltweite Echo besorgt sind und dass Chicago letztlich Washington ist? Merkt ihr nicht, dass sie euch im Griff haben und euch als ungezogene Kinder ansehen? Wenn ihr böse seid, verhaut euch Papa! Seid ihr böser, verhaut er euch fester! Sie machen mit euch, was sie wollen. Ihr unterschätzt ihre Intelligenz. Das ist euer Fehler. Sie spielen mit euch, denkt dran! Ihr habt ihnen euer Blatt gezeigt, ja was ist das schon groß? – und sie sitzen da mit dem Royal Flush und grinsen sich eins. Ihr könnt sie vielleicht schlagen, aber da müsst ihr das Spiel anders aufziehen. Sie haben euch im Sack.«
    Ich war noch nicht fertig, aber so ein Mexikaner, ein junger Mathelehrer von einer Highschool in East L. A., beugte sich über ein Geländer und schrie:
    »Du weißt nicht, wovon du redest, Bukowski! In Chicago gibt es ein GEMETZEL! ZU HUNDERTEN WERDEN SIE DIE LEUTE VOR DEINEN AUGEN ABSCHLACHTEN! MIT MASCHINENGEWEHREN, JAWOHL! DU WIRST SCHON SEHEN!«
    Natürlich passierte das nicht – die Revolution fand nicht statt, und das Schwein wurde nicht Präsident, und er kam ins Gefängnis, und die Undergroundzeitschrift ging ein, und Gott wandelte die Treppe hinunter und streute Gladiolen in den Wind.
    Die Zeitschrift ging ein, Haight-Ashbury wurde zum Mythos. »When you go to San Francisco, wear a flower in your hair.« Beim Berkeley Barb gab es interne Querelen. Bald hieß es: »Der Underground ist tot.«
    Aber ich hatte ziemliches Glück: Essex House übernahm die Kolumnen aus Open City und brachte Notes of A Dirty Old Man als Paperback heraus. Die Arbeit, die ich zum Spaß und beinah umsonst gemacht hatte, zahlte sich in harter Münze aus. Ich kam mir vor wie ein kleiner Hemingway. Wie toll es sein musste, ein wirklich großer Schriftsteller zu sein, auch wenn am Ende die Mündung eines Gewehrs stand.
    Und vielleicht ist das der Grund, warum ich, Bukowski, immer noch hier sitze, nicht ganz so friedlich wie Gandhi, und vielleicht etwas weniger tot, und Stories raushaue, die vielleicht nur an Sex interessierte Leute verstehen. Ich saufe; mein Kopf fällt auf die Schreibmaschine; sie ist mein Kissen.
    Ich bin der Underground, solo. Und ich weiß nicht, was tun.
    Deshalb schreib ich das und besaufe mich wieder.
    Kurz und bündig.

Lesen und Wesen für Kenneth
    Es war wieder mal ein Benefizabend für Kenneth Patchen, und ich hatte F. erklärt, so sozial sei ich auch wieder nicht eingestellt, aber da er meinte, es kämen viele Frauen in engen Kleidern, sagte ich: »Na schön, schreib mir die Adresse auf.« Dann ging er durch die Küchentür hinaus. Meine Vordertür klemmt.
    Ich konnte F. nicht verstehen. Es war der zweite Patchen-Benefizabend; am ersten, drüben in West L. A., hatte ich teilgenommen. Vor der Lesung hatte ich den Leuten gesagt, dass rückenkranke Dichter meiner Ansicht nach nicht mehr Nächstenliebe verdienten als jeder andere Rückenkranke, und jetzt lud er mich schon wieder ein, und ich fuhr schon wieder hin – diesmal rauf in die Hollywood Hills. Da mein Wagen bergauf nicht gut kann, rief ich Cornelia an, und Cornelia schmiss sich in ihren engen roten Hosenanzug, und wir nahmen ihren Wagen, und Cornelia fuhr.
    »Marlon Brando wohnt auch hier oben«, sagte sie mir. »Früher bin ich hier immer

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