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Das weingetränkte Notizbuch: Stories und Essays 1944-1990Fischer Klassik PLUS (German Edition)

Das weingetränkte Notizbuch: Stories und Essays 1944-1990Fischer Klassik PLUS (German Edition)

Titel: Das weingetränkte Notizbuch: Stories und Essays 1944-1990Fischer Klassik PLUS (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
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mit Ausnahme der Reichen in ihren Bunkern und der Jungs, die ihre Raumschiffe klarmachen, die neuen Archen Noahs. Die nächste Sintflut, vor der uns die alten Schreihälse am Pershing Square immer gewarnt haben, käme bestimmt, aber diesmal würde sie aus Feuer statt Wasser bestehen.
    Warum sollte man also mit achtzehn in einer Autofabrik Schrauben festdrehen, wenn man innerhalb von dreißig Sekunden ein für alle Mal um Arsch und Eier gebracht werden konnte? Nur ein einziger Mensch ist jeweils für die Vernichtungsknöpfe zuständig. Und käme nach Adam Riese nicht irgendwann bestimmt so ein Idiot daher und haute drauf – vielleicht schon morgen?
    Warum da nicht die Haare wachsen lassen und ein bisschen Gras rauchen? Entspannen. Jeden Augenblick als ein Geschenk und ein Wunder auffassen.
    So war ich schon vor der Erfindung der Bombe. Ich war hip vor den Hips – wenn man sterben muss, wozu dann unnütze Besitztümer anhäufen?
    Und Webb sagte: »Ich möchte, dass du mir einen Anti-Hippie-Artikel schreibst.«
    Dieser Mann hatte zwei bibliophile Ausgaben meiner Gedichte herausgebracht; er hatte meine Gedichte immer wieder gelesen und kannte mich trotzdem nicht.
    »Ich kann keinen Artikel gegen die Hippies schreiben, Jon. Die haben mir nie was getan. Sie haben nicht mal dran gedacht. Andere schon. Zum Beispiel war ich im Knast. Genau wie du.«
    Webb war Diamantendieb gewesen, bevor er als Zeitschriftenherausgeber zu Ansehen kam. Er hatte gesessen. Darüber hatte er vor langer Zeit zwar mal ein Buch geschrieben, aber jetzt war die Geschichte tabu. Er war darauf angewiesen, dass ihn die Papierhersteller und so weiter als kreditwürdig ansahen. Wer erwähnte, dass Webb gesessen hatte, war bei Loujon Press unten durch. In einer Crucifix -Besprechung machte ein armer Kerl mal den Fehler, auf Webbs Knaststrafe hinzuweisen.
    Der große Herausgeber sah mich an und schnippte mit den Fingern. »Das war’s! Der ist erledigt, ein für alle Mal!«
    Genauso ließ Webb Mike McClure fallen, weil der wie ein Schwuler angezogen im Fernsehen auftrat, mit dunklen Schatten unter den Augen.
    »Das war’s«, sagte Webb zu mir. »McClure ist erledigt!«
    Nun, ich kehrte ohne den Anti-Hippie-Artikel zu schreiben nach Los Angeles zurück, bevor Webb mich auch noch absägte. Wenn er das hier jemals liest, fliegt mir eines Nachts vermutlich eine Kugel durchs Fenster.
    Weitere Bücher von mir erschienen. Die meisten hatten eine winzige Auflage und waren nur im Underground bekannt. Aber die ersten College-Profs klopften bei mir an und beehrten mich mit ihren wabbelweichen Gestellen und blassen, weichen Gesichtern und kleinen Sechserpacks Bier. Nach ein paar Dosen waren sie schon blau, und ich hörte mir ihr Gerede an. Mit Englischlehrern, die mich belehren wollten, kam ich nie zurecht.
    Noch immer besuchen mich Leute und reden mit mir; ungebeten kommen sie, und ich höre zu, gebe ihnen zu trinken, was gerade da ist, und sie gehen wieder. Aber das ist keine vergeudete Zeit – der Mensch lernt vom Menschen, und wenn er’s nicht tut, hat er den ersten Trompeter überhört und sitzt in der Scheiße.
    Die Profs und die Penner waren immer ganz offen – sie haben alles ausgepackt, was sie hatten, und es war nicht genug.

    Eines Tages rief John Bryan eine Undergroundzeitschrift namens Open City ins Leben. Dafür sollte ich eine wöchentliche Kolumne schreiben. Die nannte ich »Notizen eines Dirty Old Man«. Und ich nutzte sie für Short Stories. Einmal die Woche für knapp zwei Jahre. Freitags oder samstags nach der Rennbahn, nach guten wie nach schlechten Wetten, holte ich mir drei oder vier Sechserpacks und hämmerte die Kolumne runter, während ich zum Beispiel Mahler hörte, der Beethoven und Bach gleich blass aussehen lässt.
    Bryan druckte alles, was ich ihm vorlegte. Das war eine sehr merkwürdige Zeit in meinem Leben – da mich alle wie ein Genie behandelten, musste ich eben mitspielen und meine Sachen schreiben. Schwer war es nicht – zum Genie taugt, wer eins ist. »Willst du eins kaufen oder eins sein ?«, wurde ich in den düsteren Bars in Philadelphia immer gefragt. »Ich kauf mir eins«, war meine Antwort.
    Jetzt aber drängte man mich, an Undergroundtreffen teilzunehmen. Meistens kam ich betrunken hin oder gar nicht.
    Die Leute in der Redaktion wirkten nicht sehr temperamentvoll auf mich. Seltsam ruhig und tot und wohlgenährt für ihr Alter. Sie saßen herum und rissen flapsige Antikriegswitzchen oder Witze über Pot. Alle

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