Das weingetränkte Notizbuch: Stories und Essays 1944-1990Fischer Klassik PLUS (German Edition)
auf Antidepressiva. Es war so allerliebst, dass es gar nichts war. Der Poet war überzeugt, uns alle zu betören, betörte aber nur sich selbst. Er las fertig und verschwand.
Andere versuchten ihr Glück, umsonst. Dann trat eine jüdische Dichterin auf, die arbeitslos geworden war, weil sie ihren Schülern ein schmutziges Gedicht vorgelesen hatte, und las zwei schlechte Gedichte und ein gutes. Das gute war so gut auch wieder nicht, aber nach den beiden anderen Gedichten und nach Dunning und Spinning und dem Rest hatte man wenigstens das Gefühl, statt Scheiße Sand zu schlucken.
Ich war an der Reihe. F. stellte mich vor. Mittlerweile litt ich Qualen. »Moment«, sagte ich, »ich brauch erst was zu trinken …« Ich lief zur Bar, aber da war keine Flasche zu sehen. Eine alte Blondine saß trocken an der Theke und sah mich an, als wäre ich von allen guten Geistern verlassen.
»Blöde Schlampe«, fauchte ich, »lutsch doch deinen Hund …«
Ich kurvte zurück zum Podium und fing an zu lesen. Vorher sagte ich ihnen, dass mich der Laden an eine katholische Kirche erinnerte und dass ich mit 12 aus der Kirche ausgetreten war, dann las ich drei Gedichte, eins über einen Stripper, eins über einen Sexteufel und eins über einen Mann, der einer Frau das Arschloch lecken wollte. Das Strippergedicht handelte nicht von mir.
Andere folgten. Kein Mensch legte Geld für Patchen in den Hut, die ganzen reichen Säcke da vergruben ihre Hände in den Hosentaschen. Dann trat ein Typ auf, der in der Stadt an einem College lehrte. Er war der Schlimmste von allen. Seine Frau las mit ihm zusammen. Es war ein Stück, ein Stück für 2 Personen. Es war unglaublich unreif, und es ging immer weiter und weiter. Ich lief noch mal zur Bar und entdeckte, dass der Whiskey unter der Theke stand, der Whiskey, der Wodka und der Gin … Ich machte mir gerade zwei ordentliche Whiskey mit Wasser, da kam so eine junge Brünette hinter die Theke. Sie blieb direkt vor mir stehen und richtete 2 große braune Augen auf mich. Sie ließ keinen Zweifel daran, was sie wollte. Ich fühlte mich in die Ecke gedrängt. Ich sah mich um, und so war’s.
»Mr Bukowski«, sagte sie, »Ihre Gedichte sind wirklich bemerkenswert. Und witzig. Die anderen können nichts, die sollten sich vor Ihnen schämen. Ich bete Sie an …«
»Sie sind wirklich gut gebaut«, sagte ich, »und Sie sind jung, und ich mag Ihre Augen …«
»Ich gehöre Ihnen …«, sagte sie. »Ficken Sie mich.«
»Was?«, fragte ich.
»Sie haben schon verstanden.«
»Jetzt gleich?«, fragte ich.
»Nein, später …«
»Verzeihung«, sagte ich. Ich nahm meine 2 Drinks und schob mich an ihr vorbei. Sie lächelte mich weiter an. Ich ging zu Cornelia zurück und reichte ihr ein Glas. Der Professor und seine Frau lasen immer noch sein Stück. Dann war es vorbei. Als Letztes las die Lady, der das Haus gehörte, oder die Lady des Mannes, dem das Haus gehörte. Sie war nicht ganz so schlecht wie der Professor, aber was in Patchens Namen für Scheußlichkeiten losgelassen werden, vergesse ich mein Lebtag nicht. Die reiche Lady las zu Ende, und die Leute wanderten ab, die meisten, ohne den Hut für Patchen zu beachten.
Ich stellte mich hinter die Bar und bediente die 6 oder 7 Leute, die dort saßen. Für jeden Drink, den ich ausschenkte, schenkte ich mir selber einen ein und kippte ihn runter. Dann schimpfte ich über die dreckigen Reichen und schlechte Lyrik und die im Namen von Kenneth P. abgezogenen Egospielchen. Einige fanden das lustig. Jedenfalls lachten sie. Ich blickte mich um und sah, dass Cornelia mir half, Getränke auszuschenken. Bald hatten wir alle unter den Tisch getrunken, und nur Cornelia und ich saßen noch da. Es schien, als wären wir allein im Haus. Ich dachte, es wäre vielleicht ganz gut, eine Flasche Whiskey mitzunehmen, doch als ich Cornelia eine gab und sie die in ihre Handtasche stecken wollte, kam plötzlich der Hausherr die Marmortreppe runtergesaust und rief: »Neenee! Neenee! Neenee!« Er hatte graue Haare und einen grauen Spitzbart und schnappte sich die Flasche. Uns blieb nichts übrig, als zu gehen. Als wir nach draußen kamen, merkte ich, dass ich ein wertvolles Buch von Patchen im Haus hatte liegenlassen. Ich klingelte und überließ Cornelia das Reden.
»Wir haben ein wertvolles Patchen-Buch bei Ihnen liegenlassen«, sagte Cornelia.
Die reiche Lady war verärgert. Wir gingen rein und holten uns das wertvolle Patchen-Buch. Dann waren wir wieder draußen.
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