Das weingetränkte Notizbuch: Stories und Essays 1944-1990Fischer Klassik PLUS (German Edition)
Wir hatten oben an der Zufahrt geparkt, und es war ein langer Weg da rauf. Alles war voll Salbei, Gras und Steinen. Der Weg war steil, und wir kamen mehrmals ins Stolpern.
»Für Patchen hab ich jetzt genug getan«, sagte ich. »Mir reicht’s.«
Cornelia ließ sich ins Gras am Wegrand fallen, sie machte die Arme und Beine breit.
»Komm«, sagte sie, »wir ficken.«
»Doch nicht hier, mein Gott«, sagte ich.
»Schau, Bukowski, wir haben die Sterne, den Mond und die Erde, lass uns ficken.«
Ich half ihr hoch. Wir gingen ein paar Meter, und dann ließ Cornelia sich wieder fallen.
»Komm, Bukowski, lass uns ficken. Mach’s mit mir. Steck ihn mir rein, Daddy, zeig mir deine dicke Salami …«
Ich zog sie wieder hoch. Sie warf sich noch ein oder zwei Mal hin, dann waren wir an ihrem Wagen. Cornelia fuhr. An die Heimfahrt erinnere ich mich nicht, aber ich erinnere mich, wie ich ins Bett ging, und dann war Cornelia auf mir …
»Diese Patchen-Sache«, sagte ich, »das wird eintönig. Noch mal pack ich das nicht.«
»Küss mich«, sagte sie, »küss mich FEST!«
»Schließlich wohnt Patchen doch in Palo Alto.«
»Küss mich … Küss mich, sonst SCHREI ich!«
Ich küsste sie. Erst oben, dann immer weiter unten. Es entwickelte sich. Dann war ich auf ihr und in ihr drin, und ich dachte daran, wie sie in ihrem roten Pyjama umherspaziert war mit ihrer langen, dunklen Mähne, dachte an die tiefbraunen Augen, die schauten und schauten und schauten … ich vergaß Kenneth Patchen. Ich vergaß sogar das schauderhafte Stück des Professors. Ich vergaß sogar, dass ich ein Dichter war. Dann war es vorbei, und ich lag auf dem Rücken und lauschte den Grillen, während mir der Schweiß auf Brust und Stirn stand. Wir hatten einen verunglückten Abend gerettet. Die Reichen konnten ihren Whiskey behalten, und Kenneth würde den Dollar und die 32 Cents geschickt bekommen, die in dem Hut gelandet waren.
Die Szene von L. A.
Die Dichter, die Irren, die Verarmten und die Reichen der Seele, die Lauen, die Lumpen, die Versoffenen und die Verfluchten …
Ich wurde am 16. August 1920 als unehelicher Sohn eines Soldaten der amerikanischen Besatzungsarmee in Andernach in Deutschland geboren. Im Alter von zwei Jahren kam ich in die Vereinigten Staaten, nach ein paar Monaten in Baltimore dann nach Los Angeles, und als ich die nötige Reife (?) erlangt hatte, tippelte ich nach Belieben durchs Land, kreuz und quer, rauf und runter, rein und raus, aber immer kam ich zurück nach Los Angeles, und da wohne ich heute in einem heruntergekommenen Vorderhaus gleich hinter dem Sunset Strip der armen Leute. Wenn sich jemand in der Szene auskennt, dann dürfte ich das sein, wobei ich zugebe, dass das Ganze durch einen Filter aus Tagen und Nächten voll Wein, Bier und Whiskey gegangen ist und eine gewisse Verzweiflung mich hindern könnte, alles im richtigen Verhältnis zu sehen, aber hier war ich, hier bin ich und rede darüber …
Schon allein von der Alvarado Street lohnt es sich zu erzählen, auch wenn es Sachen von vor fünfzehn Jahren sind. Einiges wird sich geändert haben, aber eine rapide Entwicklung ist es wohl nicht. Oder doch? Erst vorige Woche saß ich in einer Nacktbar am Sunset, wo die Mädchen mir ihre Dosen vorgeführt haben. Aber in der Alvaradogegend zwischen 3rd Street und 8th Street und an den Bars, die diese Straßen säumen, hat sich nicht so viel geändert. Das ist die Armeleutegegend da gegenüber dem Park, wo sie hocken und auf gut Wetter, auf den Tod warten. Es ist die zweite Skid Row von Los Angeles.
Ich war dabei, als diese Bars eröffnet und dichtgemacht wurden, habe mich in ihnen geprügelt, Frauen dort kennengelernt, ein Dutzend Mal im alten Knast von Lincoln Heights gesessen. Ein ganzer Teil der Leute dort lebt von Luft und Hoffnung, leeren Pfandflaschen und der Gutherzigkeit ihrer Brüder und Schwestern. Sie wohnen in kleinen Zimmern, sind immer mit der Miete im Rückstand, träumen von der nächsten Flasche Wein, dem nächsten Freibier in der Kneipe. Sie hungern, drehen durch, werden ermordet und verstümmelt.
Erst, wenn man unter ihnen lebt und mit ihnen trinkt, kennt man die im Stich Gelassenen Amerikas. Sie werden im Stich gelassen und haben sich selbst aufgegeben. Ich gehörte dazu. Und zu ihnen gehören auch Frauen, Blutsaugerinnen meistens, aber hier und da auch Frauen mit Leib und Seele, alkoholkrank, verrückt. Mit so einer habe ich sieben Jahre mehr oder weniger zusammengelebt, mit anderen
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