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Das weingetränkte Notizbuch: Stories und Essays 1944-1990Fischer Klassik PLUS (German Edition)

Das weingetränkte Notizbuch: Stories und Essays 1944-1990Fischer Klassik PLUS (German Edition)

Titel: Das weingetränkte Notizbuch: Stories und Essays 1944-1990Fischer Klassik PLUS (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
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gelacht hatte. Sie fanden L. W. großartig.
    Sprachlos machte mich, dass L. W. seine Schwänke Wort für Wort wiederholte, ohne je etwas zu ändern. Tja, tun wir das nicht alle? Ich wurde L. W. spürbar leid. Jetzt habe ich ihn schon länger nicht gesehen. Vermutlich bleibt es dabei. Wir haben genug füreinander getan …
    Es gibt noch andere. Immer Neue kommen. Alle mit ihrer besonderen Art zu reden oder zu leben. Einige gute Originale aus Los Angeles haben schon zu mir gefunden, und ich nehme an, das geht weiter so. Ich weiß nicht, was die Leute zu mir führt. Ich gehe nie irgendwohin. Die paar Langweiler, die kommen, schaffe ich mir schnell vom Hals. Sonst würde ich mir selbst keinen Gefallen tun. Wenn man gut zu sich selber ist, so meine Theorie, ist man ganz bestimmt auch ehrlich und gut zu anderen.
    Los Angeles ist voll von schrägen Vögeln, glauben Sie mir. Es gibt viele da draußen, die noch nie morgens um halb acht auf einem Freeway waren oder eine Stechuhr gedrückt oder auch nur einen Job gehabt haben und die ums Verrecken nicht so leben können, so leben wollen wie die anderen. Irgendwie ist jeder von ihnen auf seine oder ihre Art ein Genie im Kampf gegen das Selbstverständliche. Sie schwimmen gegen den Strom, drehen durch, kommen auf Pot, Wein, Whiskey, Kunst, Selbstmord, alles außer dem üblichen Trott. Es wird noch einige Zeit dauern, bis wir auf Linie gebracht sind und Amen dazu sagen.
    Wenn Sie das Rathaus im Stadtzentrum sehen und die ganzen ehrbaren, kostbaren Leute, verzagen Sie nicht. Es gibt ein ganzes Heer, eine ganze Völkerschar von Verrückten, halb verhungert, versoffen, beknackt und wunderbar. Ich kenne viele davon. Ich gehöre zu ihnen. Es kommen noch mehr. Die Stadt ist noch nicht erobert. Tot zu sein, bevor man stirbt, ist etwas Grässliches.
    Die Sonderbaren halten stand, der Kampf geht weiter. Danke.

Notizen zum Leben eines alten Dichters
    Nach hundert verschiedenen Jobs und Jahren auf der Platte stellte ich plötzlich fest, dass ich seit elf Jahren die gleiche Arbeit machte. Bewusst wurde mir das, als ich nach Feierabend die Hände nur noch bis zur Hüfte heben konnte. Nerven kaputt. Sie hatten mich geschafft. Ich versuchte es mit vielen Kuren, vielen Ärzten. Nichts funktionierte. Nur ich funktionierte – 8 Stunden, 10 Stunden, 12 Stunden täglich. Bei diesem Job hatte ich keine Wahl. Überstunden waren Pflicht, und Schluss gemacht wurde nach Bedarf. Man wusste nie, wann man Feierabend hatte.
    Der Job brachte mich um. Zehn Jahre hatte ich ihn ausgehalten und mich nur innerlich darüber empört, dass ich stumpfsinnige Routinearbeit leisten musste. Im elften Jahr starb dann langsam mein Körper ab. Lieber arm und barfuß, sagte ich mir, als abgesichert und tot. Sicherheit bekam man auch im Knast oder im Irrenhaus. Mit 50 und mit Kindesunterhalt am Bein stieg ich aus. Komischerweise ärgerte das die meisten meiner Arbeitskollegen. Sie hätten lieber gehabt, dass ich mit ihnen sterbe statt für mich allein.
    Seit ich 35 war, hatte ich Gedichte und Stories geschrieben. Ich entschloss mich, auf meinem eigenen Schlachtfeld zu sterben. Ich setzte mich an meine Schreibmaschine und sagte mir, so, jetzt bin ich von Beruf Schriftsteller. So einfach war es natürlich nicht. Wenn jemand jahrelang im selben Beruf arbeitet, gehört seine Zeit jemand anderem. Ich meine, selbst bei einem 8-Stunden-Tag ist der Tag hin. Nimmt man das Hin- und Herfahren zur Arbeit hinzu, Essen, Schlafen, Baden, Kleider kaufen, Autos, Reifen, Batterien kaufen, Steuern zahlen, Geschlechtsverkehr, Besuche, Krankheit, Unfälle, Schlafstörungen, die Sorgen um Wäsche, Wetter, Diebstahl und was es sonst noch so gibt, bleibt einem ÜBERHAUPT KEINE Zeit für sich selbst. Und wenn man Überstunden abreißen muss, fallen einige dieser Notwendigkeiten sogar noch flach, selbst der Schlaf, und noch häufiger der Geschlechtsverkehr. Was soll das? Dabei gibt es sogar 5 ½-Tage-Wochen, 6-Tage-Wochen, und am Sonntag soll man dann noch in die Kirche gehen oder Verwandte besuchen oder beides. Der Mann, von dem der Spruch stammt »Der Durchschnittsmensch verbringt sein Leben in stiller Verzweiflung«, hat etwas zum Teil Wahres gesagt. Doch Arbeit tut dem Menschen auch gut, sie gibt ihm etwas zu tun . Und die meisten hält sie vom Denken ab. Die Menschen denken nicht gern nach. Im Job sind sie wunderbar aufgehoben. Da wird ihnen gesagt, was sie tun sollen, wie sie es tun sollen und wann. 98 Prozent aller Amerikaner über 21

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