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Das weingetränkte Notizbuch: Stories und Essays 1944-1990Fischer Klassik PLUS (German Edition)

Das weingetränkte Notizbuch: Stories und Essays 1944-1990Fischer Klassik PLUS (German Edition)

Titel: Das weingetränkte Notizbuch: Stories und Essays 1944-1990Fischer Klassik PLUS (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
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wir. Er hatte die Adresse. Als wir hinkamen, war es eine Benefizveranstaltung für jemanden, 1 Dollar Eintritt. Wir gingen hinten rein und standen herum und hörten uns die Band an. Ich fand eine 4-Liter-Flasche Wein und nahm sie in Angriff. Ich unterhielt mich mit einigen Frauen, küsste eine, lief umher.
    Dann sagte der Kollege, mit dem ich da war: »Meinst du, die wissen hier, dass du Charles Bukowski bist?« Ein interessanter Gedanke. N. und mein Wunsch, er möge wieder anfangen zu schreiben, waren komplett vergessen. Ich ging zu einer jungen Frau. »Hallo, wissen Sie, dass ich Charles Bukowski bin?« »Charles wer?«, fragte sie. Mein Kollege lachte. Ich fragte noch etliche andere Leute, ob sie wüssten, dass ich Charles Bukowski war. »Nie gehört. Wer ist denn das?« »Charles Bukowski. Ist das der Abwaschlappen von Tiny Tim?«
    Ich trank den Wein aus, und als die Veranstaltung vorbei war, lief ich runter an die Treppe und blockierte den Ausgang. » Also Leute, damit ihr Bescheid wisst, ich bin Charles Bukowski. Bevor ich euch rauslasse, sprecht mir bitte nach und sagt: ›Ich weiß, wer Sie sind. Charles Bukowski!‹ Los!«
    »Komm schon, Mann, lass uns raus!«
    »Schwachsinn, Mann, lass uns raus!«
    »Komm, Charles, sei kein Arschloch«, sagte N.
    » Los, sagt schon! «, schrie ich. » Sagt, dass ich Charles Bukowski bin und dass ihr mich kennt! Lasst hören! «
    Hundertfünfzig Leute auf der Treppe und im Haus konnten nicht an mir vorbei. Da sagte mein Dichterkollege: »Bukowski, die Polizei rückt an!«
    Im Nu war ich weg und flitzte durch die Straßen von Venice West, N. und den Kollegen hinter mir. Ja, N. und ich hatten beide unsere schlimmen Tage und Nächte. Meiner letzten Information nach hat er aber ein hübsches Comeback hingelegt und in San Francisco eine Zeitschrift rausgebracht – den Flyer habe ich zwar nicht mehr, aber ich glaube, er bringt Ginsberg, Ferlinghetti, McClure, Burroughs, die ganze Bande. Er hat den Absprung also doch noch geschafft von der Rose Avenue da unten hinter dem Parkplatz, wo die seelenlosen Hippies auf den Betonbänken herumhocken, hungern, schnorren, in dem jüdischen Lebensmittelladen zu klauen versuchen und auf Rat von Tim Leary warten – Drop out , und dann? Aber Leary ist nicht da. Nur die Möwen und das Warten und keine Schaffenskraft …
    … ach ja, dann war da noch Mad Jack, der Maler. Eine Frau kümmerte sich um ihn, eine junge Frau mit einem ziemlich großen Haus. Jack hatte das ganze Souterrain für sich, seine Gemälde lagen auf dem Estrich ausgebreitet. Ich fand sie ganz gut, schwarze Tuschekratzer, hervorgehoben durch mit dem Pinsel aufgetragene gelbe Kleckse. Es waren hunderte Bilder, und sie sahen fast alle gleich aus.
    Jack hatte immer eine Flasche Wein in der Tasche, Portwein, und er war immer betrunken oder angetrunken. Er badete selten, und der Rotz lief ihm aus der Nase und trocknete in schwarzen Mustern über und auf dem Mund. Auch sein Bart war verdreckt, und wenn er etwas sagte, schrie er, und immer war es etwas Dramatisches und ein bisschen dumm. Ich musste trinken, um ihn zu ertragen. Aber wie gesagt, die Bilder waren gut, und dafür ließ ich einiges durchgehen. Seine Freundin dachte wohl genauso, und wahrscheinlich leckte er sie auch ziemlich gut. Hat er mir jedenfalls erzählt.
    Ich ging da öfter hin und trank den ganzen Abend, rauchte was und warf Tabletten ein. Was für Tabletten weiß ich nicht, wir nahmen alles, und da stand ein Klavier, und darauf spielte ich, obwohl ich nicht Klavier spielen kann. Ich spielte es wie ein Schlagzeug, stundenlang, und holte merkwürdige Töne aus ihm raus, wie sie glaube ich noch nie jemand einem Piano entlockt hat.
    Eines Abends gingen wir alle was zu trinken kaufen und schrien uns auf der Straße und im Schnapsladen an, seine Freundin war dabei, und so ein Typ hängte sich an uns, weil er uns interessant fand, aber dann brüstete er sich damit, dass er im Krieg Leute umgebracht hatte, und ich sagte ihm, das sei ja nichts Besonderes, es sei sanktioniert; jemanden im Frieden umzubringen sei schon eher was.
    »Du kannst mich nicht leiden, hm?«, fragte er.
    »Kein bisschen«, sagte ich.
    Er ging. Als er wiederkam, hatte er einen Pistolengurt mit Holster um. Er stellte sich vor mich hin, zog die Kanone und hielt sie mir an den Bauch.
    »Ich bring dich um«, sagte er.
    »Ich hab einen Selbstmordkomplex«, sagte ich. »Nur zu.«
    »Du hast Angst.«
    »Ein bisschen. Sterben ist nicht leicht. Schieß. Ich

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