Das weiße Amulett
Könige … der Pharao … Cha-em-weset … Lescot … Bernhardt …
Ihr wurde schlecht. Sie lehnte sich gegen einen der kleinen Zierpfeiler, die in einigen Abständen über der Dachkante hervorragten, und schaute zu dem Fremden, der wenige Meter von ihr stehen geblieben war. Täuschte sie sich, oder stand der Mann ein wenig schief?
Der Fremde verlegte sein Gewicht auf das linke Bein.
»Du hast das letzte Amulett mit dem alten …l. Drei Amulette haben die französischen Soldaten geleert; zwei weitere, die du diese Woche aus Ägypten mitgebracht hast, liegen ausgetrocknet in der Sorbonne. Und auch das Amulett aus dem Louvre war leer, das andere zerbrochen und schon seit tausenden von Jahren ausgetrocknet. Die übrigen Amulette, die der Louvre vor hundert Jahren an dich und die anderen Professoren in Europa verschickte, habe ich damals gestohlen.« Aus seiner Manteltasche holte er eine Hand voll Djed-Pfeiler-Amulette heraus und warf sie Karen vor die Füße. »Aber sie waren alle leer, bis auf dieses eine.« Er deutete auf Karens Hand. »Ich hätte wissen müssen, dass El Bahay es besitzt. Verfluchter Bastard! Er hat es dir in Luxor gegeben, nicht wahr?«
»Ja!« Ein letzter Triumph klang in Karens Stimme, die kampfeslustig wurde. »Als Sie mich im Hotelzimmer überfielen, lag es in der Manteltasche direkt an der Garderobe neben Ihnen. Sie hätten nur danach greifen brauchen!«, schrie sie. Vielleicht würde dieser Kerl sie umbringen, aber sie durfte auf keinen Fall zulassen, dass er das …l bekam. Er durfte nicht gewinnen. Dieses Mal nicht!
Karen konnte nicht sehen, wie der Mann erblasste. »Das ist nicht wahr!«, rief er. Seine Hand zitterte vor Wut.
»Doch, es ist wahr! Sie haben versagt!« Verzweifelt tastete sie sich mit den Füßen an der Dachkante entlang, um ihrem Gegner kein sicheres Ziel zu geben. Der Fremde bemerkte es und wedelte unwirsch mit der Pistole.
»Bleib stehen!«
Genau in dem Augenblick stieß Karens rechter Fuß gegen ein altes Abflussrohr, das neben einem der Zierpfeiler aus dem Dach herausragte. Überrascht sah sie nach unten und erkannte eine schwarze …ffnung im Boden. Es war zwar nur eine Chance, aber außer dieser verzweifelten Tat blieb ihr nichts anderes übrig. Mit einer schnellen Bewegung hielt sie die Faust mit dem Amulett über die …ffnung.
»Noch einen Schritt weiter, und ich lasse den Djed-Pfeiler in die Regenrinne fallen«, drohte sie mit bebender Stimme.
Der Fremde legte den Kopf schief. Dieses Miststück würde das Amulett doch tatsächlich in der Kanalisation verschwinden lassen.
»Das wirst du nicht wagen. Das …l verleiht Macht. Es ist viele Millionen wert. Ich will leben, lange leben.« Er zielte mit dem Revolver direkt auf ihr Herz.
Karen stockte der Atem. Ihre zitternde Hand war über dem schmalen Loch. Eigentlich müsste der Mann jetzt schießen, doch warum tat er es nicht? Plötzlich wankte er, und Karen bemerkte, wie Blutstropfen auf seine Schuhe fielen. Mit einem gequälten Gesichtsausdruck griff er unter seinen Mantel und zog sie blutverschmiert wieder hervor. Eine von Mansfields Kugeln hatte ihn getroffen!
Der Fremde blickte ungläubig auf seine roten Finger hinab. »Das wirst du büßen«, zischte er in Karens Richtung und schoss.
Gleichzeitig öffnete Karen die Faust und ließ den Gegenstand fallen. Laut rumpelte er das Abflussrohr hinunter, während sie einen mächtigen Schmerz in ihrer linken Schulter spürte, der sie erbarmungslos nach hinten zog. Sie versuchte noch sich an der Dachkante festzuhalten, aber es gelang ihr nicht. Mit einem lauten Schrei fiel sie über die Balustrade.
Der Fremde taumelte zur Regenrinne und leuchtete mit einer kleinen Stabtaschenlampe hinein. Er konnte ein Metallgitter erkennen, das den Abfluss von Blättern und Zweigen sauber halten sollte, aber ein ägyptisches Amulett war nicht zu sehen, nur ein verwitterter Fugenstein in der Größe des Djed-Pfeilers! Mit wildem Blick wandte sich der Fremde um und sah überall auf der Dachkante einzelne Stücke dieser Fugensteine liegen. Karen hatte ihn getäuscht.
»Dieses verdammte Miststück!«, fluchte er und beugte sich mit bleichem Gesicht über die Dachkante, um zu sehen, wo sie aufgeschlagen war. Zu seinem Erstaunen lag sie nur wenige Meter tiefer auf dem schrägen Zinkdach eines Nebengebäudes, wo ein altes Schornsteinrohr sie aufgehalten hatte. Sie rührte sich nicht. Direkt neben ihrer rechten Hand lag das Amulett.
Der Fremde blickte sich um und sah links von sich
Weitere Kostenlose Bücher