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Das weiße Amulett

Das weiße Amulett

Titel: Das weiße Amulett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathinka Wantula
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sie dem Ziel kam. Gleich würde sie etwas Persönliches vom Professor in der Hand halten. Es würde nicht mehr lange dauern.
    Plötzlich zuckten Mansfields Nasenflügel, als ein chemischer Geruch eine unangenehme Erinnerung in ihm wachrief und sofort alle Sinne schärfte. Er griff nach Karens Schulter, verfehlte sie jedoch. Im selben Augenblick blieb Monsieur Tillier stehen und zeigte auf eines der vielen Fächer eines alten Holzschranks. »Voilà!«
    Er wollte eine bestimmte Schublade aus der Mitte herausziehen, als Mansfield Karen beiseite stieß und den Bibliothekar aufhielt.
    »Warten Sie«, sagte er scharf und sah sich um. »Riechen Sie es nicht?«
    Monsieur Tillier hielt demonstrativ die Nase in die Luft. »Nein, ich weiß nicht, was Sie meinen.« Bevor es jemand verhindern konnte, öffnete er die gesuchte Schublade und zuckte im selben Moment zusammen. Er riss die Arme hoch und torkelte nach hinten.
    Mansfield hielt die Luft an. Reflexartig stieß er Karen und den Bibliothekar in den Gang.
    »Weg hier, weg hier!«, rief er und schob die beiden bis zum Eingang zurück. Hinten im Magazin fielen mehrere Bücher auf den Boden. Mansfield drehte sich um. »Ist da jemand? Kommen Sie sofort raus! In der Luft ist Säure!« Doch anstatt zu ihnen in die frische Luft zu flüchten, hörte er sich entfernende Schritte. Weiter hinten fielen in einer dunklen Ecke zusammengerollte Landkarten um. Mansfield starrte auf den um Luft ringenden Bibliothekar am Boden und wandte sich schroff an die erschrockene Angestellte hinter der Theke. »Gibt es hinten im Magazin noch einen Ausgang?«
    Die Frau sah ihn aus großen Augen an. »Ja, aber der ist immer verschlossen. Da kommt niemand raus.«
    Mansfield war anderer Ansicht und stürmte ins Lager zurück. Er rannte den Hauptgang entlang und sah in jede Regalreihe, aber es war niemand mehr da. Plötzlich fiel rechts von ihm eine Tür ins Schloss, und man hörte, wie schnelle Schritte im Flur verhallten. Mansfield wollte demjenigen folgen, aber die Tür war verschlossen. Er rüttelte an der Klinke und stemmte sich gegen das harte Holz, doch es gab keinen Millimeter nach. Er war zu spät gekommen. Wie betäubt ging er zum Haupteingang zurück und ließ sich von Karen an ein offenes Fenster führen. Sie sah ihn prüfend an, aber er schien in Ordnung zu sein.
    »Was sollte das? Warum sind Sie noch mal ins Magazin gerannt?«, fragte sie besorgt.
    Doch er sah nur aus dem Fenster hinaus und ließ sich den frischen Wind ins Gesicht wehen.
    »Nichts«, murmelte er ausweichend. »Es war nichts.«

7
    Kommissar Jean-Philippe Laurent warf seinem jungen Kollegen einen missmutigen Blick zu.
    »Es hat in der Sorbonne einen Unfall gegeben? Was soll das heißen, einen Unfall! Gab es Tote und Verletzte oder nicht?«
    René Durel kaute auf einem Kugelschreiber und ließ die schlechte Laune seines Vorgesetzten über sich ergehen. Meistens ging es schnell vorbei. »Keine Toten, aber mindestens einen Verletzten. Es sieht nach einem Säureanschlag aus. Es sind auch zwei Touristen darin verwickelt, ein Amerikaner und eine Deutsche. Monsieur Escard hat sie durch die Sorbonne geführt, als das Unglück geschah.«
    Laurent schwante Übles. »Hast du Namen?«
    »Karen Alexander und Michael Mansfield«, antwortete Durel knapp, während er ein leichtes Aufflackern in den Augen von Laurent wahrnahm. »Du kennst die beiden?«
    »Die Messerattacke von gestern Abend an der Metro. Sind sie verletzt?«
    Durel zuckte mit den Schultern. »Nein, aber einer der Bibliotheksangestellten ist ins Krankenhaus eingeliefert worden.«
    »Nicht Monsieur Escard, oder?«
    »Ihm ist nichts passiert. Er hat die Bibliothek kurz vorher verlassen.«
    Laurent atmete tief durch. Der Sekretär des Rektors stand unter höchstem politischem Schutz und war ein bekannter und beliebter Mann in den gehobenen Kreisen der Pariser Wissenschaftler. Laurents Vorgesetzter hätte ihm die Hölle heiß gemacht, wenn ihm etwas zugestoßen wäre.
    »Worauf warten wir noch?«, fragte Laurent und machte einen Schritt zur Tür.
    »Auf eine gute Fee, die mich von meinen Kopfschmerzen befreit«, murmelte Durel, während er aufstand und Laurent folgte.
    Der Kommissar warf ihm einen wissenden Blick zu. Seit zwei Jahren arbeiteten sie zusammen, und auch wenn Durel ab und zu mal über die Stränge schlug, war er durchaus zuverlässig in seiner Arbeit. Aus diesem Grund ließ Laurent vieles durchgehen. »Ist wohl wieder ein bisschen spät geworden gestern Abend,

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