Das weiße Amulett
Bibliothekar, vor.
»Bei ihm sind Sie in guten Händen, Madame, sodass ich Sie nun verlassen kann. Wenn Sie sonst noch einen Wunsch oder eine Frage haben, rufen Sie mich einfach an.« Er gab ihr seine Visitenkarte. »Dann helfe ich Ihnen gern weiter.« Escard nickte seinem Gegenüber zu, dass dieser die Gäste übernehmen könne, und verließ das Büro. Der Bibliothekar sah sie mit einem sehr geschäftigen Blick an. »Monsieur Escard deutete an, dass Sie sich für die Arbeit eines unserer ehemaligen Professoren interessieren?«
»Das ist richtig. Sein Name ist Gerald Bernhardt.«
Monsieur Tillier gab den Namen in den Computer ein und startete die Suche per Tastendruck. Seine Augen wanderten von einer Ecke des Bildschirms zur anderen.
»Nun, wir haben vier Bücher von ihm, aber wenn ich das richtig sehe, könnte es da ein Problem geben. Einen Moment bitte.«
Er drängte sich an seinem Schreibtisch vorbei.
»Madame Leclerc, würden Sie bitte so freundlich sein und mir sagen, ob diese Bücher im Augenblick zur Verfügung stehen? Sie sind im Computer mit drei Sternchen versehen.«
Eine Frau mit dünnen braunen Haaren und leichtem Grauansatz warf ihm einen skeptischen Blick zu.
»Drei Sternchen? Tut mir Leid, aber wenn sie mit Sternchen gekennzeichnet sind, wurden sie gerade verliehen. Darf ich mal sehen?«
Sie stellte sich hinter den Computer und prüfte die Angaben. Dann nickte sie und gab noch weitere Datenabfragen ein, deren Ergebnisse nicht lange auf sich warten ließen.
»Nein, die Bücher sind zurzeit nicht verfügbar. Sie wurden alle gestern Nachmittag ausgeliehen.«
»Für wie lange?«
»Für drei Wochen.«
Karen stöhnte. Sie war extra nach Paris gekommen, um diese Berichte zu lesen, und nun hatte sie die Bücher um einen einzigen Tag verpasst? »Kann man vielleicht herausfinden, wer die Bücher ausgeliehen hat, damit ich mich eventuell mit demjenigen in Verbindung setzen kann?«
Madame Leclerc warf dem Bibliothekar einen fragenden Blick zu, der einmal kurz nickte. Die Daten der Ausleihe standen schon die ganze Zeit auf dem Bildschirm, aber da sie keine Kundendaten weitergeben durfte, hatte sie sie bisher nicht erwähnt und wunderte sich nun über die Ausnahme. Sie fragte sich, was an dieser Person so Besonderes war, dass das strikte Datengeheimnis für sie nicht galt.
»Sie sind von jemandem aus dem Arabischen Institut angefordert und gestern von einem Mitarbeiter abgeholt worden«, sagte sie kurz angebunden, griff nach einem Zettel, notierte den Namen und reichte ihn Karen. »Benötigen Sie vielleicht noch die Adresse des Arabischen Instituts?«
»Nein danke, ich bin schon daran vorbeigefahren. Ich weiß, wo es liegt. Merci.«
Monsieur Tillier machte einen Schritt auf Karen zu.
»Haben Sie vielleicht noch weitere Fragen?«
Zwischen Karens Augenbrauen entstand eine schmale Falte, als sie nachdachte. »Bitte entschuldigen Sie, aber sind diese vier Bücher wirklich die einzigen Unterlagen, die Sie über Prof. Bernhardt besitzen? Ich meine, das sind doch nur die gedruckten Erzeugnisse des Professors, aber was ist mit seinen privaten Aufzeichnungen? Seine handschriftlichen Notizen? Oder ist sein gesamter Nachlass damals an seine Familie geschickt worden?«
»Eine sehr gute Frage«, sagte Tillier und blickte auf den Computer vor sich. Dann schüttelte er den Kopf. »Nein, das finden wir hier nicht.« Er lief in einen größeren Nebenraum, in dem sich mehrere Leseplätze und ein Holzschrank mit altmodischem Schlagwortregister befanden. Dort durchsuchte er die Karteikarten und nickte schließlich. »Sie haben Recht, wir haben in unserem Magazin noch einige Unterlagen vom Professor, die Ihnen vielleicht weiterhelfen könnten. Wenn Sie bitte mitkommen wollen …«
Er führte sie durch einige Flure und mehrere kleine Büros, bis ihnen eine schmale Theke im letzten Raum den Weg versperrte. Es beeindruckte Karen, wie Monsieur Tillier mit einem leichten Nicken Eintritt erhielt, ohne dass die resolut wirkende ältere Dame auch nur die geringste Frage stellte. Einmal drehte sich Karen zu Mansfield um, der die ganze Zeit hinter ihr ging und alles stoisch und wortlos über sich ergehen ließ, doch ihr blieb keine Zeit, sich über ihn den Kopf zu zerbrechen. Stattdessen eilte sie Tillier hinterher, der sie zielsicher an den meterlangen Regalen mit ledergebundenen Büchern und Atlanten vergangener Jahrhunderte durch die wirren Gänge des Magazins führte.
Sie merkte, wie ihr Herz schneller schlug, je näher
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