Das weiße Amulett
Atemwege handeln.«
»Die Schublade des Professors wurde vollständig zerstört, sagen Sie?«
»Und die beiden umliegenden Fächer auch.«
Artois knirschte mit den Zähnen. »Was ist mit den Unterlagen seiner damaligen Studenten und Assistenten? Sind die wenigstens erhalten geblieben?« Als er keine Antwort bekam, wandte er sich um und sah seinen Sekretär an. »Nun?«
»Sie wurden bisher einzeln aufbewahrt, aber vor einem Monat hat man sie aus Platzgründen in das Fach des Professors gelegt.«
Der Rektor ballte die Fäuste. Escard glaubte einen leisen Fluch zu hören.
»Also gut«, sagte Artois. »Nehmen Sie die blaue Akte dort vom Tisch und sorgen Sie dafür, dass sie Madame Alexandre sicher erreicht. Das ist für den Augenblick alles.« Er drehte sich wieder zum Fenster um, während Escard nickte, die Akte an sich nahm und den Raum verließ. Draußen im Flur überflog er mit schnellem Blick die Überschrift der Akte. Es waren nur zwei Zeilen – der Name Prof. Dr. Gerald Bernhardt und das Jahr 1907.
Laurent war zum Magazin der Bibliothek zurückgegangen, wo ihm Durel entgegenkam.
»Was sagen die Kollegen?«
Durel kratzte sich am Hinterkopf. »So wie es aussieht, kann man einen direkten Anschlag auf Madame Alexandre ausschließen. Die Säure war nur für die Schriftstücke im Schrank bestimmt.«
»Ist das sicher?«
»Ziemlich sicher. Monsieur Tripet meinte, er habe keinen Zeitzünder und auch keinen mechanischen Auslöser gefunden. Die Säure sei systematisch und sehr präzise über die Unterlagen verteilt worden.«
Durel sah, wie sich Laurents Gesicht verfinsterte. Anscheinend passte das alles nicht in sein Konzept.
»Dann ist es überhaupt kein Fall für uns«, brummelte der Kommissar.
»Wahrscheinlich nicht.«
»Egal. Was sagt der Arzt zu den Verletzungen des Bibliothekars?«
»Er hat zwar einige Verätzungen, aber sie sind nicht lebensgefährlich. Die Sanitäter haben ihn ins Krankenhaus mitgenommen.«
»Gut. Wenn es ihm besser geht, fährst du zu ihm und nimmst seine Aussage auf.«
Durel nickte. »Und was haben unsere beiden Freunde dir erzählt?«
Laurent wandte sich ab. »Nicht viel. Als Madame Alexandre vom Verlust der Unterlagen hörte, klappte sie für einen Moment zusammen.«
»Vielleicht waren sie sehr wichtig für sie?«
Laurent nickte. »Es scheint so.«
Mansfield setzte sich neben Karen in den BMW. »Die Unterlagen waren wohl sehr wichtig für Sie, wie?«
Karen sah ihn benommen an. »Wichtig? Sie machen wohl Scherze. Die Unterlagen waren einmalig. Wie soll ich eine Monographie schreiben, wenn mir die persönlichen Aufzeichnungen fehlen? Das Material, das gerade in der Luft verpuffte, war wahrscheinlich achtzig Prozent meines Buchs. Ich kann wieder nach Hause fahren.«
»Nun mal ganz ruhig. Geben Sie immer so schnell auf?«
»Aufgeben? Ich rede nur von Tatsachen. Ohne das Material wird es keine Monographie geben.«
»Nun warten Sie doch erst mal ab. Wir finden denjenigen, der die Bücher ausgeliehen hat, und können sie von ihm bekommen. Oder Kopien davon. Wenn Sie wollen, können wir sofort zum Arabischen Institut fahren und den Mitarbeiter aufsuchen. Na, was halten Sie davon? Oder sollen wir doch lieber ins Hotel zurückfahren, und Sie ruhen sich ein wenig aus?«
Karen sah mit unbewegter Miene auf die Straße vor sich.
»Nein, lassen Sie uns zum Arabischen Institut fahren«, sagte sie mit leichtem Hoffnungsschimmer. Doch auch dieser Versuch war vergebens. Die Anfrage im Institut brachte keine positiven Ergebnisse. Am Mittwoch hatte niemand Bücher in der Sorbonne ausgeliehen, und unter dem von Madame Leclercs notierten Namen war auch kein Mitarbeiter des Instituts registriert. Man konnte Karen nicht weiterhelfen.
Mansfield zögerte, als sie wieder im Auto saßen. Karen war am Boden zerstört, das spürte er. Aber dagegen gab es gute Heilmittel.
»Was halten Sie davon, Karen, wenn Sie sich den Nachmittag freinehmen und wir bei Fauchon und der Madeleine vorbeischauen?«
»Das alte Opernviertel?« Karen war nicht davon begeistert, merkte aber, dass Mansfield versuchte, sie von ihren Misserfolgen abzulenken. Sie brachte ein höfliches Lächeln zustande und gab sich einen Ruck. »Okay, vielleicht komme ich dann wieder auf andere Gedanken.«
»Das werden Sie bestimmt.«
Tatsächlich tat ihr die Ruhe in der Eglise de Madeleine nach all der Aufregung und den Enttäuschungen gut und gab ihr neue Kraft. Doch als sie am Ausgang unter der Säulenkolonnade stehen blieb und den
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