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Das weiße Amulett

Das weiße Amulett

Titel: Das weiße Amulett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathinka Wantula
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beruhigt mich, dass Sie das sagen«, entgegnete er leicht spöttisch und führte sie in eine Loge der ersten Etage.
    Der Zuschauerraum erstreckte sich über mehrere Logenränge und dem Parkett und war genauso verschwenderisch mit Verzierungen und Ornamenten ausgestattet wie das Treppenhaus. Überall waren Büsten, Masken, Lyren und Medaillons zu erkennen. Doch während im Treppenhaus die Farben dezent und harmonisch aufeinander abgestimmt waren, herrschte hier ein aufregender Kontrast zwischen goldfarbenen Balkonen und dem feurigen Rot der Logen.
    Karen blickte in den Zuschauerraum und musterte den großen tonnenschweren Kristalllüster, der von der Decke herabhing. Sie runzelte die Stirn.
    »Da stimmt etwas nicht«, sagte sie irritiert.
    Mansfield folgte ihrem Blick und betrachtete die moderne Deckenmalerei an der Kuppel. »Was meinen Sie?«
    »Die Deckenmalerei ist nicht ursprünglich.«
    »Wohl kaum. Sie ist von Marc Chagall. Aber warum stört Sie das?« Mansfield sah ihren wehmütigen Blick, den sie im Louvre schon hatte, und es schien, als ob ein tiefer innerer Schmerz sie durchströmte.
    »Sie haben gewagt, Garniers Werk zu verändern?«
    »Na ja, sie haben versucht ein wenig Zeitgeist in dieses alte Gebäude zu bringen. Was ist daran so schlimm? Schließlich hat nicht jeder einen Chagall an der Decke.«
    Karen setzte sich. »Es ist nicht ursprünglich«, wiederholte sie leise, während sie ihr Kleid zurechtzupfte und ein walnussgroßes Loch bemerkte. Es war noch nicht da, als sie die Treppe hochgegangen waren. Also hatte sie sich das Kleid wohl beim Hinsetzen zerrissen. Sie wandte den Kopf und wurde ein wenig rot, als sie Mansfields fragenden Blick sah. Sie dankte Gott für das gedämpfte Licht in der Loge.
    Sich zu ihm beugend, flüsterte sie: »Tut mir Leid, aber mir ist mit dem Kleid gerade ein kleines Missgeschick passiert. Es dauert nur einen Augenblick.« Sie wollte schon an ihm vorbeigehen, als er sie am Ellbogen festhielt.
    »Wo wollen Sie hin?«
    »Nur kurz auf die Toilette und dieses kleine Loch zusammennähen. Bis das Stück beginnt, bin ich wieder zurück.«
    Mansfield sah rasch auf das Loch, das einen nicht unangenehmen Blick auf Karens Oberschenkel freigab. Er versuchte sein aufkommendes Grinsen zu beherrschen.
    »Sie haben Nadel und Faden in Ihrer Handtasche?«, fragte er ein wenig überrascht.
    »Natürlich. Was glauben Sie, weshalb meine Tasche immer so schwer ist? Ich bin für jeden Fall gewappnet.«
    Für jeden Fall?, dachte Mansfield und sah ihr mit einem anzüglichen Grinsen nach, als sie die Loge verließ.
    Die Toiletten lagen eine Etage tiefer, aber leider musste Karen feststellen, dass sie äußerst spärlich beleuchtet waren und sie die feine Stoffnaht nur notdürftig zusammenheften konnte. Sie beeilte sich und trat schon wenige Minuten später wieder in das hell erleuchtete Treppenhaus hinaus. Eilig stieg sie die flachen Stufen des rechten Treppenbogens hinauf. Kurz bevor sie den mächtigen Eckpfeiler erreichte, trat plötzlich ein schwarzer Schatten hervor, und eine goldene Klinge schwang durch die Luft. Karen zuckte zusammen, torkelte zurück und stürzte mit den Armen hilflos nach Halt suchend die Treppe hinunter.
    Sie spürte Schmerzen, immer und immer wieder Schmerzen. Dann spürte sie nichts mehr.

17
    Mansfield öffnete die Logentür und trat auf den Mosaikfußboden der ersten Etage, als er gedämpfte Stimmen aus dem Treppenhaus vernahm, die sich aufgeregt anhörten. Mit wenigen Schritten stand er an der Balustrade und sah auf die große Treppe hinunter, in deren Mitte sich eine kleine Menschentraube um eine Person gebildet hatte, die er nicht erkennen konnte. Er sah nur Füße, die in weißen Sandalen steckten. Sandalen, die er gestern im La Fayette in Händen gehalten hatte.
    Mansfield rannte die Treppe hinunter. »Excusez-moi, Mesdames et Messieurs. Bitte lassen Sie mich durch.«
    Er schob die Menschenmenge beiseite und stand im nächsten Augenblick neben Kommissar Laurent, der in feiner Abendgarderobe neben Karen kniete und ihm einen skeptischen Blick zuwarf.
    »Ah, Monsieur Mansfield. Schön, dass Sie auch schon da sind.«
    Mansfield ließ sich neben Karen auf ein Knie sinken und hielt ihren Kopf, der erschreckend leblos in seiner Hand lag. Mit einem schnellen Blick sah er an ihr hinunter und starrte für einen kurzen Moment auf den langen Schnitt, der das Kleid beinahe halbierte.
    »Was ist geschehen! Ist sie verletzt?«
    »Das können wir noch nicht sagen«, antwortete

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