Das weiße Grab
daran, dass er gerne geholfen hätte, aber er konnte einfach nicht: »Nein, tut mir leid.«
»Er heißt Andreas Falkenborg, wurde damals aber nur Pronto genannt.«
Er schüttelte bedauernd den Kopf.
»Andreas Falkenborg war Ingenieur und arbeitete auf der Basis als Hilfs-Elektriker. Außerdem flog er Helikopter.«
Wieder eine Pause und ein Kopfschütteln.
»Dann wissen Sie auch nicht, in welcher Beziehung er und Maryann Nygaard standen?«
»Leider nein. Das Einzige, was ich weiß, ist, dass es da so eine Gruppe um Maryann und ihre grönländische Freundin gab. An den Namen ihrer Freundin erinnere ich mich nicht, aber sie war ebenso schön wie Maryann … und … also, und dieser Falkenborg war sicher nicht Teil dieser Gruppe.«
Nicht Teil dieser Gruppe.
Die Comtesse schrieb die Information mit Großbuchstaben auf ihren Notizblock und machte vier Ausrufungszeichen dahinter. Dann dachte sie, dass es sicher klug war, die Befragung zu beenden, solange noch alles gut lief. Sie klappte ihren Block zu.
»Ganz herzlichen Dank, dass Sie sich die Zeit für dieses Gespräch genommen haben.«
Er runzelte die Stirn und kratzte sich nachdenklich mit einem Finger im Nacken.
»Ich hoffe wirklich, dass Sie Maryanns Mörder finden«, sagte er ernsthaft. »Als ich hörte, dass sie ermordet worden ist, war ich gleichermaßen schockiert wie erleichtert. Es ist schon ein verdammt seltsames Gefühl, das ich nie zuvor hatte. Ich meine, ich war ja jahrelang der Meinung … sie wäre wegen mir aufs Eis gegangen. Plötzlich wusste ich, dass dem nicht so war, sondern …«
Er kam ins Stocken, und sie wartete höflich, bis er sich wieder gefangen hatte: »Ich finde sicher nicht die richtigen Worte, vielleicht sollte ich besser den Mund halten. Auf jeden Fall werde ich das hier nicht vergessen, das kann ich Ihnen garantieren. Ich hoffe, dass ich auch Ihnen irgendwann einen solchen Gefallen tun kann.«
Die Dankbarkeit prallte an der Comtesse ab. Sie hatte ihre eigenen Probleme. Konrad Simonsens Medium hatte darauf bestanden, nicht lockerzulassen, sondern an Bertil Hampel-Koch alias Steen Hansen festzuhalten, weshalb sie die letzten sieben Tage dieser Spur gewidmet hatte. Angeblich sollte es ja um Leben und Tod gehen. Trotzdem war sie in einer Sackgasse gelandet und hatte ohne jeden Nutzen reichlich Zeit verschwendet. Zuletzt hatte sie nur noch auf eine Offenbarung gewartet, die aber nicht gekommen war, so dass sie jetzt mit leeren Händen dastand. Wie sie die Szenarien dieses Falles auch drehte und wendete, es war schlichtweg unwahrscheinlich, dass Bertil Hampel-Koch etwas mit dem Mord an Maryann Nygaard zu tun hatte. Was sollte sie also tun? Die Antwort war einleuchtend – nichts, das war’s. Trotzdem versuchte sie, sich eine Hintertür offen zu halten.
»Ich hoffe, ich darf noch einmal auf Sie zurückkommen, sollte sich noch eine Frage ergeben?«
Es war deutlich zu sehen, dass diese Frage ihn verwunderte, aber natürlich ging er auf ihre Bitte ein, wenn auch recht vage.
Sie sammelte ihre Sachen zusammen, reichte ihm zum Abschied die Hand und trat zu guter Letzt ganz bewusst ein Stück weit aus ihrer Rolle heraus: »Grüßen Sie unseren gemeinsamen Bekannten im Presse-Ministerium, wenn Sie ihn sehen.«
Bertil Hampel-Koch lächelte betreten und nickte.
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38
U m nicht zu spät zur Pressekonferenz zu kommen, fuhr die Comtesse in aller Eile zurück ins Präsidium, so dass sie schließlich als Erste auf dem Podium saß. Kurz darauf kamen Konrad Simonsen, Arne Pedersen und Pauline Berg. Die Comtesse nickte ihrem Chef vielsagend zu, als er hereinkam; das Verhör von Bertil Hampel-Koch war wie geplant verlaufen. Als Bestätigung streckte er den Daumen nach oben. Danach hatte sie genug Zeit, um die Anwesenden zu studieren.
Die Pressekonferenz war gut besucht, alles in allem nahmen sicher an die fünfzig Journalisten und Fotografen teil. Zufrieden konstatierte die Comtesse, dass keine Fernsehkameras zu sehen waren. Den zwei TV -Sendern, die ihr Kommen avisiert hatten, war ein separates Interview mit Konrad Simonsen und ihr versprochen worden. Die Polizei wollte auf diese Weise verhindern, dass sensible Ermittlungsdaten live ausgestrahlt wurden.
Als die Konferenz anfing, wurde aus dem lauten Stimmengewirr ein leises Murmeln. Die Comtesse richtete sich auf ihrem Stuhl auf und machte ein ernstes Gesicht. Und schon wurde Konrad Simonsen mit Fragen bombardiert. Es gab zwei Topthemen: die Verhaftung von Andreas Falkenborg und die
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