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Das weiße Grab

Das weiße Grab

Titel: Das weiße Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lotte Hammer , Søren Hammer
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ihm, er habe eine Zeugin, die Simonsen persönlich sprechen müsse. Der Mann klang müde, aber Konrad Simonsen kannte ihn und schätzte ihn als erfahrenen Mann. Er gehörte sicher nicht zu denen, die ihn wegen einer Belanglosigkeit störten. Wenn dieser Mann ihn um diese Uhrzeit weckte, musste es wichtig sein, weshalb er gleich einwilligte, die Zeugin zu empfangen. Nach dem Gespräch schlief er noch einmal für einen Moment ein, bis es kurz darauf an der Tür klopfte und der Beamte mit einer Frau Mitte zwanzig in der Tür seines Büros stand.
    Konrad Simonsen sammelte sich, verschwand für fünf Minuten auf die Toilette und wusch sich das Gesicht mit kaltem Wasser, um die Müdigkeit zu vertreiben. Danach fühlte er sich einigermaßen funktionstüchtig. Wieder zurück in seinem Büro, stellte der Beamte ihm die Frau vor: »Das ist Juli Denissen aus Frederiksværk, sie hat Andreas Falkenborg allem Anschein nach am Montagabend gesehen. Außerdem hat sie eine wichtige Information über sein Auto.«
    Der Beamte legte einen kurzen Bericht auf den Schreibtisch und blieb abwartend stehen. Konrad Simonsen überflog ihn und stellte fest, dass die Zeugin im Laufe der Nacht bereits zweimal befragt worden war.
    »Haben Sie etwas dagegen, einen Moment lang draußen zu warten?«, wandte er sich schließlich an die Frau.
    Er musste die Frage wiederholen, ehe sie verstand und das Büro, ohne zu murren, verließ. Ihre farbenfrohe Tasche ließ sie stehen. Bevor sie die Tür hinter sich schloss, fiel Konrad Simonsen ihr außergewöhnlicher Gang auf, irgendwie sah es so aus, als wären Oberkörper und Beine bei ihr nicht synchronisiert.
    Kaum dass sie draußen war, fragte der Beamte: »Soll ich Ihnen eine kurze Zusammenfassung geben? Sie müssen doch hundemüde sein.«
    »Nein, aber ich will wissen, ob sie zuverlässig ist. Wobei ich ja eigentlich davon ausgehe, dass Sie das längst überprüft haben, nicht wahr?«
    »So gründlich das heute Nacht möglich war, aber bislang deutet nichts darauf hin, dass sie … sich etwas einbildet.«
    »Wie ist Ihre persönliche Einschätzung?«
    Die Antwort war überzeugend.
    »Die ist so normal wie Sie und ich. Sonst hätte ich Sie nicht behelligt.«

    Konrad Simonsen brummte unauffällig, entließ den Beamten und bat die Frau wieder herein. Sie saßen sich gegenüber. Er blätterte noch einmal durch den Bericht und stellte fest: »Sie sind vierundzwanzig Jahre alt, geschieden, gehen auf die Technische Hochschule in Frederiksværk und wohnen mit Ihrem zweijährigen Kind allein.«
    Die Frau nickte und unterdrückte ein Gähnen, wofür sie sich mit einem Lächeln entschuldigte. Gegen seinen Willen erwiderte Konrad Simonsen dieses Lächeln. Es kam einfach automatisch.
    »Wollen Sie mir nicht ein bisschen über Ihre Tochter erzählen?«, bat er sie.
    Die Frage schien sie nicht zu überraschen. Ohne Umschweife kam sie seinem Wunsch nach, als wäre es das Natürlichste von der Welt, morgens um halb sechs mit dem Chef der landesweit wichtigsten Kriminalermittlung über ihre Tochter zu plaudern.
    Während sie redete, beobachtete er sie genau, aber das schien sie nicht zu stören. Sie war schlank, etwas kleiner als der Durchschnitt, hatte halblange Haare und hohe Wangenknochen. Sie hatte eine große Ausstrahlung, am faszinierendsten waren aber ihre braunen, fröhlichen Augen, die seinen Blick voller Vertrauen und ohne Untertänigkeit oder Hochmut erwiderten. Zu seiner Überraschung bemerkte er, dass er ihre Stimme immer mehr mochte, je länger sie redete, so dass er sie noch ein bisschen reden ließ, obgleich er sich längst sicher war, dass diese Frau keine unterschwelligen mentalen Probleme hatte.
    Irgendwann unterbrach er sie und fragte: »Sie meinen, Andreas Falkenborg am Montagabend im Lokalzug nach Frederiksværk gesehen zu haben?«
    »Ja. Ich habe ihn aber nicht nur da gesehen, sondern auch in der S-Bahn nach Hillerød. Eingestiegen ist er am Bahnhof Nørreport.«
    »Erzählen Sie.«
    »Wo soll ich anfangen?«
    »Sie waren in Kopenhagen. Was haben Sie da gemacht?«
    »Ich war zwei Tage in London und kam gerade vom Flughafen …«
    Ihre Erklärung war minutiös und exakt: Die Zeitpunkte stimmten mit Andreas Falkenborgs Verschwinden überein, und sie war sogar in der Lage, seine Kleidung zu beschreiben. Im Bahnhof Hillerød stiegen sie beide um, und anschließend saßen sie per Zufall so, dass sie sein Spiegelbild im Fenster sehen konnte. In Grimstrup, vier Stationen von Hillerød entfernt, waren sowohl

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