Das weiße Grab
den Rest kennst du ja. Ihr Bekannter ist übrigens einer von uns. Also laut Juli.«
Konrad Simonsen spürte die Wut in sich aufkeimen und unternahm nicht einmal den Versuch, sie zu dämpfen. Seine Stimme hallte dröhnend durch sein Büro: »Dann hoffe ich für ihn, dass das nicht stimmt! Um wen geht es?«
Poul Troulsen sagte den Namen des Mannes. Konrad Simonsen kannte ihn. Es war ein kompetenter Mann mittleren Alters, mit dem er schon mehrfach zusammengearbeitet hatte. Verwundert fragte er: »Der Staatsanwalt?«
»Ja, wenn Juli die Wahrheit gesagt hat. Er selbst leugnet jede Verbindung zu ihr. Ich habe gerade mit ihm gesprochen, und abgesehen davon, dass er verdammt sauer auf mich geworden ist, war er in seiner Aussage klipp und klar. Er hat sie nie getroffen, sie war nie in seinem Sommerhaus, er hat sie nie an irgendeinem Bahnhof abgeholt und so weiter und so fort. Ich habe weitere Informationen über beide angefordert. Unautorisiert, natürlich, uns fehlt ja die Zeit. Es dauert aber mindestens eine Stunde, bis wir etwas bekommen …«
Juli Denissen unterbrach ihn: »Er hat geleugnet, mich zu kennen?«
Die Frage war an Konrad Simonsen gerichtet.
»Ja, und ich zweifle inzwischen stark an Ihrer Geschichte. Sie werden wohl noch eine Weile hierbleiben müssen, bis ich endlich weiß, wer von Ihnen beiden die Wahrheit sagt.«
Ihre Augen wurden feucht, aber sie blinzelte die Feuchtigkeit weg, bevor sich Tränen bilden konnten. Dann biss sie die Zähne zusammen, bis sie wieder die Kontrolle über sich gewonnen hatte. Dann holte sie ihr Handy aus der Tasche und tippte etwas ein.
»Ich habe ein paar Bilder«, sagte sie. »Einen Augenblick, mein Telefon funktioniert nicht immer richtig, aber ich habe im Moment nicht das Geld, mir ein neues zu kaufen.«
Die zwei Männer warteten, bis ihr Handy reagierte, dann sagte sie: »Die ersten Bilder habe ich im Sommerhaus aufgenommen, die anderen bei mir zu Hause.«
Die beiden Männer schwiegen, als dringe die Wahrheit nur tröpfchenweise zu ihnen vor. Dann flüsterte Konrad Simonsen: »Hol mir die Ratte her, Poul. Und sag ihm, dass seine Kündigung bis Ende der Woche im Justizministerium auf dem Tisch liegen soll. Und wenn er sich auch nur im Geringsten sträubt … aber das muss ich dir ja nicht erzählen. Zuallererst bringst du ihn aber dazu, die Farbe von Andreas Falkenborgs Auto zu bestätigen. Sollte er das tun, änderst du sofort die Fahndungsmeldung. Und sorg dafür, dass unsere eigenen Fahrzeuge und alle Streifenwagen umgehend informiert werden.«
Poul Troulsen antwortete müde: »Das passt im Übrigen gut zu den fünf anderen Zeugen, die Andreas Falkenborg in einem roten Auto gesehen haben wollen. Aber natürlich gab es auch welche, die ihn in einem gelben, einem …«
Der Satz verhallte unvollendet.
»Muss diese Strafe wirklich sein?«, fragte Juli Denissen traurig. »Er hat es nicht leicht. Außerdem habe ich ihm gestern gesagt, dass ich ihn nicht mehr sehen will.«
Sie klang so, als wäre der Bruch zwischen ihnen schon Strafe genug. Ein paar Tränen rannen ihren Nasenrücken entlang. Poul Troulsen ignorierte sie und ging. Konrad Simonsen hatte Mitgefühl mit ihr. Sie lebte offensichtlich in dem Irrglauben, dass die Welt gut war, und musste vermutlich immer wieder für ihre positive Lebensauffassung büßen. Er legte seine Hand auf ihre Schulter, und sie ergriff sie schnell.
»Es gibt Hunderte von Beamten hier im Haus, die ihm jeden Knochen im Körper brechen würden, wenn sie dies erführen. Er kann hier wirklich nicht bleiben.«
»Aber Sie müssen doch nichts sagen.«
Sie schniefte leise zweimal, als er nicht antwortete.
»Ich werde jetzt dafür sorgen, dass Sie nach Hause gefahren werden.«
Er streichelte ihr vorsichtig über die Haare und dachte, dass man manchen Menschen einfach zu spät begegnete. Dann schickte er sie nach draußen.
[home]
54
D as scharfe Licht kam ohne jede Vorwarnung und blendete die beiden Frauen.
Sie konnten Andreas Falkenborg nicht sehen, hörten aber sogleich sein jammerndes Geschrei. Als sie nach einer Weile die Augen öffnen konnten, sahen sie, wie er verzweifelt vor ihnen auf und ab ging. Er wedelte mit den Armen wie ein Kind, das vollkommen die Kontrolle über sich verloren hatte. Immer wieder beschimpfte er Pauline Berg wild, weil sie sich so furchtbar verunstaltet hatte.
»Das hättest du nicht tun dürfen, du hast doch den Verstand verloren, verstehst du denn wirklich gar nichts, du dumme Gans.«
Seine Maske hing
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