Das weiße Grab
dabei war das unser gutes Recht. Es war weder ein Wochenende noch ein Feiertag. Wenn er Probleme mit dem Geruch hat, kann er in der Stadt bleiben. Wir haben ihn schließlich nicht dazu gezwungen, sich ein Ferienhaus auf dem Land zu kaufen.«
»Und das haben Sie ihm gesagt?«
»Da können Sie sicher sein, und das, obwohl er rumgeschrien und sich aufgespielt hat. Er hat geschworen, dass er uns das heimzahlt, und uns wild beschimpft.«
»Und seit diesem Tag waren Sie zerstritten?«
»Ja, denn später kam noch das mit der Sau. Das war ein paar Wochen danach, er hatte von einem Bauern in Allerslev eine Sau gekauft und sie von ihm schlachten lassen. Sie müssen sich das mal vorstellen, er hat dieses Tier an die Pappel genagelt, die direkt auf unserer Grundstücksgrenze steht, das heißt, nageln lassen. Vier Männer hatte er damals angeheuert, um das Tier mit einem Flaschenzug hochzuhieven und an den Baum zu hängen. Ich weiß nicht, ob Sie sich überhaupt darüber im Klaren sind, wie groß so eine Sau ist?«
»Was für ein Baum war das?«
»Der da, gleich da vorne.«
Er zeigte zu einer alten, etwas schiefen Pappel, die schon bessere Tage gesehen hatte und dringend gestutzt werden musste.
»Wenn Sie nah genug hingehen, können Sie noch immer die Eisenbeschläge im Baum erkennen.«
»Ich sehe sie von hier aus, aber wofür sollte das denn gut sein?«
»Verstehen Sie denn nicht? Das war seine Rache. Diese Riesensau hat da im Baum gehangen und ist langsam verrottet, bis nur noch das Skelett übrig war. Das stank ekelhafter, als Sie sich das in ihrer schlimmsten Fantasie ausmalen können. Unsere Terrasse konnten wir überhaupt nicht mehr nutzen, und die Fenster mussten wir auch geschlossen halten. Sogar die Wäsche mussten wir oben auf dem Dachboden trocknen, denn sonst hätte sie nach Verwesung gestunken.«
»Das muss doch auch für ihn schrecklich gewesen sein?«
»Ja, bestimmt genau so schlimm wie für uns, aber ihn schien das nicht zu stören, der stolzierte da drüben herum und grinste hochmütig. Manchmal ist er sogar zu dem Tier gegangen und hat es getätschelt.«
»Haben Sie das denn nicht den Behörden gemeldet? So etwas ist nicht erlaubt. Nicht einmal hier draußen in der … Natur.«
Der Mund der Frau zog sich zusammen wie ein Hühnerpopo, aber der Mann schien Pauline Bergs Versprecher gar nicht bemerkt zu haben und antwortete stolz: »Nein, so etwas tun wir hier nicht. Aber nach ein paar Wochen hatte ich genug, bin zu ihm rein und habe ihm ein paar verpasst.«
»Unsinn, der hat dich doch übers Ohr gehauen.«
Sowohl Arne Pedersen als auch Pauline Berg sahen zu der Frau hinüber, die dieses Mal selbst zu erzählen begann: »Er hat Schläge eingesteckt, das ist richtig, aber er hat das alles auf Video aufgezeichnet. Sein ganzes Leiden und Getue. Vorher hatte er noch den Krankenwagen angerufen und wurde mit dem Rettungswagen abtransportiert, wobei er sich schrecklich aufgespielt und so getan hat, als hätte mein Mann ihn wirklich schlimm verletzt. Zwei Tage später kam er dann rüber und zeigte uns das Video auf so einer kleinen transportablen Maschine. Er sagte, er wolle uns die Polizei und seinen Anwalt auf den Hals hetzen, wenn wir das Schwein nicht hängen und unsere verdiente Strafe über uns ergehen ließen. Stellen Sie sich das mal vor, der hat wirklich
unsere verdiente Strafe
gesagt.«
Die zwei Polizisten stellten noch eine Viertelstunde lang weitere Fragen über den Nachbarschaftsstreit, aber mehr war da nicht zu holen. Zum Schluss legte Arne Pedersen eine Fotografie von Annie Lindberg Hansson zwischen ihnen auf den Tisch.
»Kennen Sie diese Frau?«
Der Mann kannte das Mädchen nicht und sprach für sie beide. Die Frau jedoch warf missmutig einen Blick auf das Foto und sagte: »Das ist Annie, die Tochter dieses Säufers drüben an der Jungshoved-Kirche.«
»Sie ist 1990 verschwunden.«
»Verschwunden, verschonen Sie mich mit diesem Blödsinn. Die ist nach Kopenhagen abgehauen, das ist doch so klar wie Kloßbrühe.«
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14
A m Tag nach seiner Fahrt nach Südseeland war Arne Pedersen schon wieder unterwegs, dieses Mal ans andere Ende der Insel. Konrad Simonsen hatte ihn nach Hundested geschickt, wo er einen Mann treffen sollte, der ihnen möglicherweise helfen konnte, die Löcher in Andreas Falkenborgs Studienverlauf zu stopfen. Er hatte sich rechtzeitig im Restaurant eingefunden und genoss die Aussicht auf den charmanten, kleinen Hafen, der auf ganz natürliche Weise die Ansprüche
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