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Das weiße Grab

Das weiße Grab

Titel: Das weiße Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lotte Hammer , Søren Hammer
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erwies sich als ein reetgedecktes, dreistöckiges, architektonisch etwas konfuses Haus, das an eine leicht aus den Fugen geratene Strandvilla erinnerte und sich nur schlecht in die Landschaft einfügte. Unter dem Dachvorsprung wartete die Direktorin gemeinsam mit einem jungen Mann auf sie. Sie war eine große, stattliche Frau Anfang vierzig, und obwohl ihre Kleider teuer wirkten, hatte ihr Stil etwas Unausgewogenes, was der Comtesse nicht entging. Von weitem wirkte sie mit ihren regelmäßigen Zügen und den kräftigen rotbraunen Haaren, die lockig über ihre Schultern fielen, recht attraktiv, doch dieser Eindruck änderte sich, wenn man näher kam und all die Krater in ihrer Haut bemerkte, die fast den Eindruck erweckten, als hätte sie eine missglückte Schönheitsoperation hinter sich. Die Comtesse nickte ihr mit gespielter Freundlichkeit zu und versuchte, sich selbst davon zu überzeugen, jetzt einen neuen Anfang zu machen und ihr noch eine Chance zu geben. Jeder konnte einmal einen schlechten Tag haben, oder vielleicht sogar zwei, und in der Regel brachte es nichts, an der Verbitterung des Vortages festzuhalten. Aber Helle Oldermand Hagensen jagte schon mit ihrem ersten Satz alle positiven Gedanken weit aufs Kattegat hinaus.
    »Ah, da sind Sie ja«, sagte sie. »Gerade noch rechtzeitig. Sie haben eine Stunde, die Uhr tickt.«
    Die Comtesse beherrschte sich.
    »Danke für Ihr Entgegenkommen.«
    Sie erntete ein gnädiges Nicken, das schwer zu deuten war, während das Schnippen und der ausgestreckte Zeigefinger der Direktorin nicht misszuverstehen waren. Ihr Mitarbeiter holte einen Schlüsselbund hervor und schloss die Tür auf. Der junge Mann führte sie über eine Treppe in einen Kellerraum, deren Wände vom Boden bis unter die Decke mit Schränken, Regalen und allerlei Kisten und Kästen der unterschiedlichsten Größen zugestellt waren. Die Beleuchtung war schlecht, da das einzige Fenster des Raumes zu großen Teilen von aufeinandergestapelten Koffern verdeckt war und überdies dringend einmal wieder geputzt werden musste. Neben dem Fenster war ein schmaler Arbeitsplatz mit einem Schreibtisch, einem Bürostuhl und einem Computer, der schon in den neunziger Jahren veraltet gewesen sein musste. Helle Oldermand Hagensen breitete die Arme wie eine Zirkusdirektorin aus und sagte: »Bitte, Sie haben fünfundfünfzig Minuten. Ihnen ist doch wohl klar, dass Sie nichts hier aus dem Museum entfernen dürfen. Ich hoffe wirklich, Sie wissen, wonach Sie suchen, denn sonst vergeuden Sie nur meine Zeit.«
    »Das weiß ich, danke für Ihre Zeit.«
    »Ich danke Ihnen, haben Sie eine Kamera dabei?«
    »Ja, ich suche nach einem Bild, von dem ich gerne eine Kopie machen würde.«
    »Das ist ausgeschlossen. Geben Sie mir Ihre Kamera, sofort.«
    Die Comtesse hatte sich lange beherrscht, viel länger, als sie dies sonst im Umgang mit widerspenstigen Zeugen zu tun bereit gewesen wäre. Der Grund war einfach: Die Spur, der sie folgte, ging auf ein Telefonat mit einer Frau zurück, die angeblich hellseherische Fähigkeiten hatte, und war überdies mehr und mehr zu einer Art Privatsache geworden. Dazu kam, dass ihre Parallelermittlung, gelinde gesagt, zweifelhaft war. Sie hatte sich deshalb vorgenommen, sich möglichst unauffällig zu verhalten, aber irgendwann lief jedes Fass über. Sie trat langsam vor die Direktorin, blieb erst stehen, als sie etwas zu dicht vor ihr stand, sah ihr direkt in die Augen und sagte: »Sie haben die Wahl. Entweder Sie hören mit Ihrem aufgeblasenen Getue auf und verschwinden, bis ich fertig bin, was vielleicht in zehn Minuten sein wird, vielleicht aber auch erst am späten Abend, oder Sie machen so weiter wie jetzt, nur dass ich Ihnen dann beim nächsten Einwand Handschellen anlege und Sie an ein Wasserrohr kette, bis ich meine Arbeit erledigt habe. Seien Sie doch so gut und sagen Sie mir, was Ihnen lieber ist.«
    Helle Oldermand Hagensens Gesicht änderte die Farbe, und für einen Moment lang fürchtete die Comtesse, die Frau könne ohnmächtig werden. Eine Portion Luft, die sie fast schluchzend einsog, rettete sie. Die Comtesse legte nach, indem sie einen Finger dicht vor das Gesicht der Direktorin hielt.
    »Denken Sie dran, ein Mucks, und Sie sind draußen.«
    Die Direktorin machte auf dem Absatz kehrt und verließ den Raum mit rotem Nacken, während ihr junger Mitarbeiter von einem Ohr zum anderen grinste.
    »Ist die immer so entgegenkommend?«, fragte die Comtesse.
    »Och, das ist noch gar nichts im

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