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Das weisse Horn

Das weisse Horn

Titel: Das weisse Horn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iwan Antonowitsch Jefremov
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Standpunkt aus war es eine Niederlage.
    Sie schreiben es auch selbst."
    Wera Borissowna nahm das Buch aus Ussolzews Händen
    und las: „ . . . Es gibt keine Entschuldigung für uns. Wir
    sind geschlagen worden in diesem ehrlichen Kampf. Besiegt
    durch die Höhe des Berges und die dünne Luft!... Ist das
    vielleicht wenig, sich ein hohes, unvorstellbar schweres
    Ziel zu wählen und sich dann ganz für die Erreichung die-
    ses Zieles einzusetzen? Ich stelle mir den Everest so klar
    vor. Ein verhängnisvoller, kahler, felsiger Berg. Auf die-
    sem unzugänglichen Gipfel wehen furchtbare Sturms,
    selbst der Schnee kann sich dort nicht halten. Ringsum
    furchtbare Schluchten. Gletscher krachen und bersten, La-
    winen stürzen zu Tal. Und die Menschen klettern hart-
    näckig w e i t e r . . . Wenn wir uns doch öfter solche Ziele
    setzen könnten, wie die Eroberung des Everest."

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    Ussolzew hatte schweigend zugehört.
    „Aber nur wenige sind zu solchen Taten fähig", meinte er
    dann. „Und einen Everest gibt es ja schließlich auch nur
    einmal auf der Welt."
    „Das ist nicht wahr! Das ist ganz einfach nicht wahr! Jeder
    kann seinen Everest haben. Muß ich Ihnen denn mit Bei-
    spielen aus unserem Leben kommen? Und der Krieg — hat
    er etwa keine Helden hervorgebracht, die über sich selbst
    hinauswuchsen?"
    ,,Aber das ist auch ein richtiger Everest, der für alle seine
    Gültigkeit hat", widersprach Ussolzew. „In der Wahl aber
    seines eigenen Everests kann man sich irren!"
    „Das haben Sie gut gesagt!" rief Wera Borissowna und
    blickte Ussolzew spöttisch an. „Wirklich, stellen Sie sich
    mal vor: Sie spannen alle Kräfte für Ihren Everest an, und
    dann stellt es sich heraus, daß es nur ein kleiner Berg war —
    ungefähr von der Größe, wie sie hierzulande sind. Welch
    trauriges Ende!"
    „Von der Größe wie hierzulande?" fuhr Ussolzew auf, und
    im selben Augenblick erinnerte er sich mit erschütternder
    Deutlichkeit, wie er erst vor einigen Stunden an einem
    steilen, steinigen Abhang geklebt hatte, von dem sich
    kleine, scharfkantige Steine lösten. Er suchte einen Halt
    und preßte seinen ganzen Leib an die Steilwand. Er fühlte,
    daß ihm bei der geringsten Bewegung nach unten oder
    nach oben der unvermeidliche Absturz von der hundert
    Meter hohen Steilwand drohte. Wie langsam verging die
    Zeit, bevor er seinen ganzen Willen zusammenraffte und
    beschloß, sich mit einem Ruck auf die Seite zu werfen. Er
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    rutschte, drehte sich und hing dann, mit den Fingern fest-
    gekrallt, in einem Felsspalt. Ein einsamer, schweigender
    Kampf mit der tödlichen Gefahr.
    Ussolzew wischte sich den Schweiß von der Stirn und ging,
    ohne sich zu verabschieden, f o r t . . .
    Vier Köpfe neigten sich über die mit Steinen beschwerte
    Karte. Der Finger des Arbeitsleiters kratzte mit dem abge-
    brochenen Nagel über das Papier.
    „Heute sind wir endlich bis zur nordöstlichen Grenze des
    Planquadrats gekommen. Hier ist das Tal, Oleg Serge-
    jewitsch. Dort ist ebenfalls eine Erdverschiebung, an deren
    Stirnseite sich alte Diorite* befinden. Mit der Erforschung
    dieser Gesteinsschicht ist unsere Arbeit hier getan."
    Der Arbeitsleiter begann die Säckchen aufzubinden und
    beeilte sich, noch vor der Dunkelheit die Muster zu zeigen.
    Ussolzew betrachtete die von ihm genauestens studierte
    Karte. Aus den Windungen der Isohypse**, den Pfeilen,
    den farbigen Stellen der Gesteinsablagerungen erstand
    vor dem Geologen die Geschichte des ihn umgebenden
    Geländes.
    Vor gar nicht allzu langer Zeit — was sind schon eine Mil-
    lion Jahre nach geologischen Begriffen! — wurde das flache
    Hochplateau in gigantische Spalten zerrissen, so daß längs
    derselben große Teile der Erdrinde in Bewegung kamen,
    sich senkten oder hoben. Im Norden bildete sich eine
    Bruchstelle, in der sich jetzt die weite Steppe ausbreitet
    und durch die der Ili-Fluß strömt. Südlich von diesem
    * Tiefengestein, meist Feldspat und Hornblende.
    •" Niveaulinie i Linien, die Orte gleidier Höhe miteinander verbinden.
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    Ort — an ihrem Lagerplatz — erhebt sich ein Gebirgsgrat,
    der wie eine riesenhafte Treppe aussieht. Die höchsten
    Stufen hatten Sonne, Wind und Regen zerstört und eine
    chaotische Anhäufung von Bergspitzeh gebildet. Die oberen
    Schichten der Felsen waren abgetragen. Sie waren zer-
    fallen und lagen als loser Sand oder Lehm auf dem Grund
    einer seichten Talmulde. Aber die erste Abstufung mußte
    unter einer Decke von Alluvialschichten*

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