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Das weisse Kaenguruh

Das weisse Kaenguruh

Titel: Das weisse Kaenguruh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Praxenthaler
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hören und für lästige Mücken war es noch zu früh im Jahr. So machten Beerdigungen Frieden.
    Dann klingelte plötzlich sein Telefon. Billy hatte das Tütchen gerade mal fünf Minuten durch und starrte gedankenverloren und zufrieden auf sein selbstgeschaufeltes Grab, als ihn der schrille Klingelton seines Handys aus der Stille riß. »Unbekannter Teilnehmer« stand auf dem Display.
    »Johann«, sagte Billy und war platt. »Woher haben Sie meine Nummer?«
    Es war der Freie Herr von den Maaren, der sich am anderen Ende gemeldet hatte.
    »Das war in der Tat nicht einfach«, antwortete er. »Wie geht es ihnen, mein Freund?«
    Billy hatte sich immer noch nicht berappelt. Er hätte mit jedem gerechnet. Mit seinem besten Freund Florian, zum Beispiel. Auch mit seinem Vater, vielleicht. Oder gar mit Annabelle. Aber niemals mit dem geheimnisvollen Trödler aus den Tiefen der Eifel.
    »Äh, nun ja, gut eigentlich«, stammelte Billy. »Also ich meine, es geht. Das ist ja vielleicht eine Überraschung.«
    »Für Sie schon, das glaube ich gern. Aber sagen Sie, denn telefonieren kostet schließlich Geld, wo stecken Sie gerade, zum Teufel?«
    »Ich bin im Wald.«
    »Werden Sie konkreter, Billy. Wälder gibt es überall.«
    Da hatte der Freie Herr von den Maaren wohl recht.
    »In der Nähe von Ingolstadt«, erklärte Billy daher. »Ich bin gestern in Richtung München aufgebrochen, wissen Sie. Habe es in Troisdorf nicht mehr ausgehalten.«
    »Dann hat es wohl nicht geklappt mit dem Bigbird und Ihrer geplanten Überraschung? Dann ist es also aus mit der Liebe, oder täusche ich mich?«
    »Nein, nein, Johann. Sie täuschen sich gar nicht. Im Gegenteil. Annabelle hat mich verlassen. Hat jetzt was mit diesem Franzosen, Sie wissen schon. Mit diesem Pierre.«
    »Na Sie sind mir vielleicht ein Feldherr, Billy«, sagte der Freie Herr von den Maaren und lachte. »Ziehen erst mit erhobenem Schwert in den Kampf und ziehen dann einfach den Schwanz ein wie ein getretener Hund. Aber machen Sie sich nichts draus. Gegen den Lauf des Lebens ist man eben machtlos. Das ist ja das Beruhigende.«
    »Danke«, sagte Billy. »Das hilft mir sehr.«
    »Jetzt werden Sie mal nicht selbstmitleidig. Ein Ende ist einAnfang ist ein Ende ist ein Anfang. Das ist das Leben. Es geht zwar immer weiter, aber es hört nie auf.«
    »Ist das so, ja?«
    »Das dürfen Sie mir glauben. Und jetzt, wo wir das geklärt hätten, erzählen Sie mir doch lieber mal, was Sie jetzt vorhaben? Ich hoffe, Sie haben die Zeit.«
    »Alle Zeit der Welt«, sagte Billy.
    »Gut«, sagte der Freie Herr von den Maaren. »Dann macht es Ihnen sicherlich nichts aus, wenn Sie mich kurz zurückrufen. Ich habe nämlich auch gerade alle Zeit der Welt. Aber nicht alles Geld der Welt, falls Sie verstehen, was ich meine. Diese albernen Mobiltelefone! Wer sich diesen Irrsinn hat einfallen lassen, muß ein armer Mensch gewesen sein. Man sollte wieder mehr schreiben.«
    »Klar rufe ich Sie zurück, Johann. Gerne sogar«, sagte Billy. »Geben Sie mir einfach Ihre Nummer.«
    »Die Vorwahl von Bad Münstereifel, dann das Gründungsjahr von Rom und hinten noch die ›123‹«, schoß es aus Johann heraus. »Ich warte. Aber nicht ewig.«
    Dann legte er auf.

Bigbird über Bord.
    Es dauerte ein Weilchen, bis Billy herausbekommen hatte, daß Rom 753 aus dem Ei und so weiter. Er hatte in der Schule kein Latein gehabt und im Geschichtsunterricht anscheinend etwas Wesentliches verschlafen. Aber zum Glück gibt es heutzutage ja die Callcenter der Telefonauskunft, wo in Zeiten zunehmender Akademikerarbeitslosigkeit vermehrt höchstgebildete und chronisch überqualifizierte Kräfte arbeiten dürfen, die sich nicht nur mit Telefondaten, sondern selbst in der römischen Geschichte auskennen. Und so mußte Billy zwar ein paar Runden in der Warteschleife verbringen, bekam dann aber schließlich doch noch, wonach er suchte.
    Das Gespräch mit Johann, dem Freien Herrn von den Maaren, hatte die ersten gut fünfzehn Minuten eindeutig monologische Gestalt. Billy war dank des Joints auch ziemlich dicht, das muß man zu seiner Verteidigung sagen. In Plauderlaune und voller Selbstironie faßte er zunächst die Ereignisse zusammen, die ihn zum Verlassen seiner Heimatstadt Troisdorf bewegt hatten, erklärte dann, daß er gerade seine Sammlung vergraben habe und darauf mit dem Bigbird jetzt ein Bier trinke, um anschließend noch darüber zu berichten, welchen Coup er sich ausgedacht hatte, um den ersehnten Job bei BMW zu bekommen.

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