Das weisse Kaenguruh
einer Erbse hatte, wußte sich Billy in seiner Angst, ertappt zu werden, nicht mehr anders zu helfen und beschloß kurzerhand, überhaupt keinem mehr die Hand zu geben.
Ganze zwei Tage lang hielt er diese Verweigerungshaltung durch, dann flog er auf. Es war Oma Elisabeth, die seine Warze als erste entdeckte. Billy wäre am liebsten im Boden versunken, als sie damals nach seiner Hand griff und sich das ekelhafte Ding ausführlich und aus nächster Nähe betrachtete. Doch dann passierte etwas Seltsames. Oma Elisabeth ekelte sich nicht etwa, sondern schüttelte nur kurz den Kopf, um sofort danach das weitere Vorgehen zu beschließen. »Da gibt es nur eins«, sagte sie ruhig. »Übermorgen ist Vollmond. Da schläfst du bei mir. Und um Mitternacht gehst du in den Garten, reibst die Warze mit einer Speckschwarte ein und wirfst die Speckschwarte anschließend in einem hohen Bogen über die Gartenmauer. Dann ist die Warze am nächsten Morgen weg.« Billy fand das zwar eine völlig aberwitzige Idee, aber weil er selber keinen besseren Vorschlag hatte, tat er, was ihm seine Oma aufgetragen hatte. Und siehe da! Als er am Morgen nach Vollmond wieder aufwachte, war die Warze tatsächlich verschwunden und er wieder ein glückliches Kind.
Diese Geschichte kam Billy nun wieder in den Sinn. Das Gespräch mit Johann, dem Freien Herrn von den Maaren, schien eine Ewigkeit lang her, er saß weiterhin auf seinemBaumstumpf, war dicht bis unter die Hirnhaut und in seinem Kopf drehte sich alles um eine einfache Frage. Sollte er seine Kanonenkugeln wieder ausgraben oder nicht? Und je länger er darüber nachdachte, desto klarer wurde ihm, daß es darauf nur eine vernünftige Antwort gab. Denn so wie es damals bei Vollmond keinen Grund gab, seiner Oma zu mißtrauen, so gab es auch jetzt keinen Grund, diese völlig absurde Idee abzulehnen. Was hatte er schließlich schon zu verlieren? Auf die eine Woche bis Neumond kam es nicht an und probieren geht über studieren. Und so griff er sich die Schaufel, spuckte in die Hände und fing zu graben an.
Warten auf Neumond.
Als Billy am nächsten Morgen aufwachte, stand er mit seinem Mercedes wieder auf dem Freideck des Fina-Parkhauses in der Innenstadt. Er hatte beschlossen, die acht Nächte bis zum nächsten Mittwoch genau hier zu verbringen. Das Freideck war halt ein guter Platz, fand er, und wenn es einmal regnen sollte, konnte er einfach eine Etage tiefer fahren und so den Bigbird vor Nässe schützen. Außerdem war er dort vor Dieben sicher.
Die Zeit flog vorbei wie ein Eurofighter. Billy hatte sich einen Stadtführer gekauft und ein nettes, entspanntes Touriprogramm zusammengestellt. Das Beste von München in einer guten Woche. Am ersten Tag ging er wieder in die Olympiaschwimmhalle und machte danach einen ausgiebigen Spaziergang durch die Stadt. Am zweiten Tag besuchte er das Deutsche Museum. Am dritten Tag unternahm er einen Ausflug zum Starnberger See, um sich schon mal mit den Örtlichkeiten vertraut zu machen. Am Samstag ließ er sich von einem total durchgeknallten Studenten durch die Bavaria Filmstudios am Geiselgasteig führen und beschloß, das nie wieder in seinem Leben zu tun. Am Sonntag aß er im WeißenBräuhaus zum Frühstück die ersten Weißwürste seines Lebens und setzte sich anschließend mit einem Buch für ein paar Stunden in den Park des Nymphenburger Schlosses. Montag vormittag ging er ein bißchen shoppen und verbrachte den restlichen Nachmittag in einem Waschsalon. Am Dienstag besuchte er schließlich die wilden Tiere im Zoo und gleich im Anschluß den wilden münchnerischen Humor im Valentin-Musäum. Und dann war auch schon Mittwoch. Der Tag, an dem sich alles ändern sollte.
Je näher der Neumond rückte, desto ruhiger und fröhlicher wurde Billy. Es war wie verhext – er war wie verhext. Natürlich hatte er sich in den ersten Tagen immer wieder gefragt, welcher Teufel ihn eigentlich gerade ritt. Nüchtern betrachtet war das, was der Freie Herr von den Maaren ihm am Telefon prophezeit hatte, nichts anderes als der pure Schwachsinn eines geistig verwirrten Greises, da gab es nichts. Aber dann geschah etwas mit Billy, das fern jedweder Rationalität zu liegen schien. Mit jedem Tag, der verging, lösten sich seine nagenden Zweifel mehr und mehr auf, und sein anfänglicher Unglaube wich einem Frieden, den er so noch nicht erlebt hatte. Er ging plötzlich mit einem unwiderstehlichen Lächeln durch die Welt und schien langsam, ganz langsam vom Boden abzuheben und in
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