Das weisse Kaenguruh
Kanonenkugeln drin. Aus dem Mittelalter, glaube ich. Oder hier, dieses Grabkreuz. Der Hammer, was? Ich meine, für solche Schätze sind 3000 ein richtiges Schnäppchen. Vielleicht sollte ich lieber noch einmal nachverhandeln. Was meinen Sie?«
Siggi zog die Augenbrauen zusammen. »Na, ich weiß ja nicht so recht. Für mich ist und bleibt das nur ein Haufen wertloser Schrott, fertig.«
»Sie sind natürlich auch kein Künstler«, sagte Billy. »Sie sind halt Polizist.«
»Ganz genau«, sagte Siggi. »Und zwar saugern, das können Sie mir glauben. Und deshalb gehe ich jetzt auch mal wieder Verbrecher jagen. Also dann, nix für ungut. Wiederschauen.«
Dann hob Siggi noch kurz die Hand zum Gruß, drehte sich um und lief davon.
»Hallali«, rief ihm Billy hinterher und machte sich wieder an die Arbeit.
Die Geschichte mit dem Künstler war natürlich eine glatte Lüge. Niemals hätte sich Billy von seiner Sammlung getrennt. Und für schlappe 3000 Mark schon gar nicht. Er war ja kein seelenloser Trottel. Die Sammlung war sein Baby. Und da hätten selbst 30 000 nicht gereicht, um ihn zum Verkauf zu bewegen. Im Moment nicht und auch nicht für alle Ewigkeit.
Er hatte also nur Spaß gemacht. Spaß mit Siggi und damitSpaß mit der Staatsgewalt. Das hatte er sich vom Euro abgeschaut. Und im nachhinein mußte er schon zugeben, daß es im Umgang mit der Polizei anscheinend tatsächlich nur darauf ankam, daß man zur richtigen Zeit die richtige Geschichte auf Lager hatte. Wenn man gut vorbereitet war, fraßen einem die Brüder offensichtlich aus der Hand und glaubten einem selbst den letzten Scheiß. Und das, so stellte Billy nun zufrieden fest, war eine sehr beruhigende Erkenntnis. Man konnte schließlich nie wissen, wann man das nächste Mal in das Netz der grünen Minna geriet. Gerade in Bayern kam so etwas bekanntlich öfter vor, als nötig wäre.
Bimmelim am Grab.
Eine gute Stunde später stand Billy in einer lauschigen Lichtung im Wald und hatte einen Spaten in der Hand. Nachdem er die erste Ladung seiner Sammlung im Auto verstaut hatte, war er bei Ingolstadt-Nord wieder auf die A9 in Richtung München gefahren, hatte das Flüßchen Sandrach überquert und danach die Autobahn an der Ausfahrt Langenbruck verlassen. Von da an folgte er einfach seinem Instinkt und entdeckte kurz hinter dem Örtchen Pörnbach einige kleine Waldstücke, die rechts und links neben der B13 lagen. Er suchte sich das netteste heraus, bog von der Landstraße ab und fuhr über einen Forstweg mitten hinein in den Wald.
Den Spaten hatte er sich vor seiner Abfahrt nach Ingolstadt noch schnell beim OBI gekauft. Und eine Schaufel gleich mit dazu. So ausgestattet fing er nun an zu graben, immer tiefer, schwitzte sich trotz des weichen Waldbodens den Oberkörper zum See, spürte seine Muskeln brennen, gönnte sich nur einige, ganz kurze Erholungspausen, grub also praktisch in einer Tour durch, fröhlich und voller Biß, und zwar so lange, bis er endlich das Loch hatte, das er für seine Zwecke brauchte. Es sollte das Grab werden, in dem er seineSammlung beerdigen wollte, bis die Zeit für ihre Wiederauferstehung gekommen war.
Es dauerte schier unendlich, aber irgendwann hatte er es geschafft. Sein Interimsgrab war fertig ausgehoben. Erschöpft, aber glücklich betrachtete er einen Moment lang sein Werk, um im weiteren keine wertvolle Zeit zu verlieren. Stück für Stück holte er die Eisenteile aus dem Laderaum seines Mercedes, schleppte sie etwa zwanzig Meter vom Auto durch das Unterholz in den Wald und schichtete alles vorsichtig und mit Kennerblick in das Erdloch hinein. Als er fertig war, machte er sich sofort auf den Weg zurück zur Polizeistation, lud den zweiten Teil ein, wuchtete auch gleich noch den Bigbird mit aufs Dach, fuhr erneut in den Wald, kaufte sich bei der Agip an der Ausfahrt Langenbruck noch ein Bier und freute sich schon auf den Leichenschmaus.
Der Leichenschmaus bestand aus einer Flasche Augustiner Hell und einem Joint. Es war der zweite der drei, die er vom Euro bekommen hatte. Nachdem er seinen Schatz mit Erde bedeckt, die Erde festgetreten und anschließend mit Zweigen und Blättern ausreichend getarnt hatte, setzte er sich auf einen Baumstumpf, riß mit dem Feuerzeug das Bier auf und zündete sich das Tütchen an. Denn das, so fand er, hatte er sich mehr als verdient, nach all der Schufterei. Und wie herrlich es war. In die Lichtung fiel noch ein bißchen Licht, in der Nähe konnte man das Wild durch das Gehölz ziehen
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