Das weisse Kaenguruh
wohnt jetzt beim Flo«, hatte er gesagt und war im selben Moment zur Tür raus.
Hände weg von den Drogen.
Als Billy sein Auto – damals noch einen Renault R4 als F4 – an jenem Abend vor dem Grundstück seiner neuen Heimat parkte, ahnte er nicht, worauf er sich da eigentlich eingelassen hatte. Aber spätestens, als er die morsche Eingangstüre der Datsche aufstieß, wurde das Dilemma mehr als deutlich. Er war noch nicht einmal richtig drin, da kam ihm schon eine Luft entgegen, die fast so schlecht war wie die im Mund von Adolf Hitler. Es stank nach einer Mischung aus Kot und Schimmel, Abfällen und Aas, Fäulnis und Verderbnis. Dazu flog oder kroch überall irgendwelches Getier herum, und bis auf eine völlig versiffte Matratze, die hinten links in der Ecke auf dem nackten Boden lag, war das einst so heimelige Häuschen völlig leergeräumt. Selbst der tonnenschwere Emailleofen, den sein Vater vor Jahren und mit Hilfe von vier Freundenan der hinteren Wand der Datsche installiert hatte, war verschwunden.
Billy mußte nicht lange nach einer Antwort suchen. Ein Blick auf den Boden reichte, um zu verstehen. Die Spritzen, die dort zwischen Essensresten und Müll herumlagen, hatten mit einer netten kleinen Insulin-Party der Troisdorfer Anonymen Diabetiker jedenfalls nichts zu tun. »Pottsau«, dachte sich Billy noch und stolperte vor Ekel erst einmal wieder nach draußen. Es dauerte einen Moment, bis er wieder der alte Pragmatiker war. Schließlich holte er tief Luft, zog sich das T-Shirt über die Nase, zählte bis drei, stürmte zurück in die Datsche, riß die vier Fenster auf, die es im Wohnraum gab, und rettete sich im selben Augenblick wieder ins Freie. Mehr konnte er nicht tun. Zumal ihm die Luft ausging. Bereits damals rauchte er eindeutig zu viel. Für diesen Tag gab er sich geschlagen, verschob den Beginn der Revolution auf morgen, rollte in seinem R4 den Schlafsack aus, schoß sich noch kurz zwei Bier rein und verbrachte seine erste Nacht als Hausbesetzer im Auto.
Friede den Hütten.
Die Zeit war knapp. In acht Wochen mußte Billy den Zivildienst antreten, und spätestens bis dahin, so hatte er es sich vorgenommen, wollte er die Datsche wieder fit machen. Inklusive Garten. »Wenn schon Hausbesetzer«, hatte er sich gesagt, »dann auch mit Blick ins Grüne.« Außerdem mochte er Gärten. Schon immer.
Es gab viel zu tun, und gleich nach dem Frühstück fing er an. Mit einem Hausputz, der selbst die härteste Polin aus dem Kittel gehauen hätte. Mit Gummihandschuhen bis zum Hals und einem Mundschutz vor dem Gesicht räumte er zunächst die Berge von Unrat zusammen, die überall in und um die Datsche herumlagen. Weil er nicht wußte, wohin mit demganzen Müll, türmte er in einer Ecke des Gartens alles zu einem stinkenden Haufen zusammen und übergoß ihn mit einem großzügigen Schuß Benzin aus seinem Reservekanister. Dann zündete er sich eine Zigarette an – damals und passend zum gerade bestandenen Abitur Camel ohne Filter – nahm einen tiefen Zug und warf das Streichholz mit Verve in den Haufen hinein.
Mit einem satten »Zosch!« ging der komplette Hausstand eines Junkies in Flammen auf. Nur die Spritzen hatte Billy vorher gesondert entsorgt. So blieben am Ende lediglich ein Berg aus Asche und das Skelett der Federkernmatratze zurück. Die Asche schaufelte er über den Zaun auf das brachliegende Nachbargrundstück. Den Federkern dagegen ließ er erst einmal liegen. So ein schönes Stück konnte er nicht wegschmeißen. Damit ließ sich bestimmt noch etwas Sinnvolles anstellen. Man könnte es zum Trampolin umfunktionieren, dachte sich Billy. Oder Bohnen daran ziehen. Oder es irgendwo aufstellen. Sieht bestimmt geil aus, wenn es einfach nur verrostet.
Der zweite Schritt hieß Desinfektion. In dieser Disziplin waren die Deutschen schon immer spitze gewesen, und Billy machte seinem Volk keinen Kummer. Er hatte sich im Baumarkt entsprechend eingedeckt. Erst wurde mit einem schweren Besen mit starken Borsten ausgefegt, dann wurde mit einem feinen Hausbesen nachgefegt, und schließlich ging es in die Tiefe. Und wie. Er hatte sich eines dieser Sprühgeräte gekauft, die der kompromißlose Gartenfreund zur Schädlingsbekämpfung einsetzt. Mit 7, 5-Liter -Komfort-Tank zum auf den Rücken schnallen und handlicher Sprühpistole. Billy füllte seinen Tank mit einer hochdosierten Mischung aus Desinfektionsmittel und Leitungswasser, nahm die Sprühpistole in die Hand und begann zu desinfizieren. Die gesamte
Weitere Kostenlose Bücher