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Das weisse Kaenguruh

Das weisse Kaenguruh

Titel: Das weisse Kaenguruh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Praxenthaler
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bar bezahlte, mietete er gleich nebenan einen zwar häßlichen, dafür aber ungemein fetten Klotz von Wohnhaus, unter dessen Dach die Familie fortan residieren sollte. Das Wohnzimmer im Erdgeschoß war dabei fast so groß wie die ganze Mietwohnung in der Lohmarerstraße, und im Keller gab es einen schmucken Partyraum mit Bar. Billy und Thomas durften sich den gesamten zweiten Stock und ein gemeinsames Bad teilen, und vor der absurd großen, mit Waschbetonplatten belegten Terrasse protzte das Anwesen mit einem Fertigpool in Nierenform, der vier Meter fünfzig lang war und einen Meter fünfzig tief.
    Die gekaufte Bourgeoisie hatte ihren Preis. Das sommerliche Familienleben der Familie Büttgen wurde neureich und spielte sich von nun an nicht mehr in der Datsche ab, sondern – wenn überhaupt – im Garten hinter dem Haus, gerne im Pool oder auf der kastrierten Rasenfläche drum herum, mit gemauertem Grill als Schrein gutbürgerlicher Gemütlichkeit, einer orangebraunen Markise über weißen Gartenmöbeln aus Plastik, einem Rhododendron und zwei Rosenstöcken als zentralen botanischen Eyecatchern und einem Springbrunnen in Gestalt eines Marmordelphins als Kunst am Bau. Dieses Leben im gnadenlosen Luxus war dabei übrigens vor neugierigen Blicken bestens geschützt. Nicht umsonst hatte Hans Büttgen ein ganzes Bataillon Thujen am Gartenzaun zusammengezogen. Seine Nachbarn sollten von Anfang an wissen, mit wem sie es zu tun hatten.

Zu den Waffen, Kameraden.
    Den Entschluß, in die Datsche zu ziehen, fällte Billy mit freundlicher Unterstützung der Bundeswehr. Er hatte sich bereits früh dafür entschieden, den Wehrdienst zu verweigern.Er wurde zwar mit T2 gemustert, und mit ein bißchen gutem Willen hätte auch ein toller Soldat aus ihm werden können. Er hatte gute Augen und spitze Ohren. Er war sportlich und groß genug. Er war mutig, jedoch kein triebgesteuerter Hasardeur. Sein IQ reichte für den Russen spielend, und dank seiner guten Erziehung war ihm selbst die absurde Idee des bedingungslosen Befehlsgehorsams hinlänglich bekannt. Billy hatte also alles, was einen guten, deutschen Krieger ausmacht. Nur eines hatte er nicht – Lust drauf.
    Am Anfang gab es die ganz normale, viel zu oft erlebte Diskussion im Hause Büttgen. Billy saß mit seinen Eltern beim Abendbrot und erzählte ihnen zwischen Cornichons und kaltem Roastbeef von seinen Kriegsverweigerungsgedanken. Das Gespräch begann beiläufig, wurde dann aber schnell kategorisch, dazu von Wortmeldung zu Wortmeldung lauter, es ging hin und her wie beim Ping-Pong und am Ende stand ein Wort. »Feigling«, sagte sein Vater. Darauf hatte Billy nur gewartet. Es war das beste, was ihm in seiner Situation passieren konnte. Jetzt hatte er endlich die Moral auf seiner Seite. Ein Vater, der seinen Sohn einen Feigling schimpft, nur weil der lieber runzelige Oma-Ärsche wischt, als dreckige Maschinengewehre zu putzen, verliert auf der Stelle alle Rechte. Und so trank Billy noch kurz sein Bier leer, stand dann entschlossen auf, ballte die Faust zum revolutionären Kampf und war weg. Den Plan dafür hatte er schon seit einiger Zeit im Kopf gehabt. Jetzt war der Moment des Handelns gekommen.
    Die erste Regel des revolutionären Kampfes war natürlich schon immer »Schnauze halten« gewesen. Und klar, auch Billy machte nicht den Fehler, seine Eltern von seinem Vorhaben in Kenntnis zu setzen. Ganz im Gegenteil. Er führte sie lieber auf die falsche Fährte und warf ihnen eine perfekte Lüge als Köder vor. Die Lüge hieß Florian mit Vornamen, Müller mit Nachnamen und sie war Billys bester Freund. Siekannten sich aus der Schule und konnten seitdem nicht mehr voneinander lassen. Wenn der eine den anderen brauchte, war der andere schon da. Wenn es etwas zu teilen gab, wurde nicht gefragt; erst recht nicht, wenn das Etwas ein Problem war. Billy und Florian waren partners in crime und Brüder im Herzen. Sie waren Freunde und standen zusammen, und es war keine Frage, daß im Gegensatz zu vielen echten Ehepaaren nur der Tod sie trennen konnte.
    Billys Eltern war diese Freundschaft natürlich nicht entgangen. Sie kannten Florian; er ging seit Jahren bei ihnen ein und aus. Und so war es vorherzusehen, daß sie keinen Verdacht schöpften. Nicht mal im Ansatz. Ihr Sohn war halt ein bißchen durchgedreht und deshalb fürs erste zu seinem besten Kumpel gezogen. Das hatte Billy jedenfalls behauptet, als er an jenem Abend sein Elternhaus verließ. »Und wenn ihr den Feigling sucht, der

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