Das weisse Kaenguruh
Datsche, bis in die allerletzte Ritze hinein.
Die Datsche war einmal ein alter Stall gewesen und bestandaus einem einzigen, gut vierzig Quadratmeter großen Raum. Die Wände waren massiv und aus Ziegeln. Innen waren sie verputzt und weiß gestrichen, außen dagegen lag das rote Mauerwerk nach allen Seiten bloß. Das Dach war von Billys Vater isoliert worden, hatte einen Giebel und relativ spitze Schrägen. Dabei wurde es von einem offenen Dachstuhl aus dunkel gebeizten Holzbalken getragen, der in die Seitenwände eingelassen war. In der Mitte hatte der Raum eine stattliche Höhe von fast dreieinhalb Metern. Und dank der offenliegenden Balken einen Hauch von Landhausromantik dazu.
Wenn man Phantasie besaß. Denn im Moment war die Datsche zwar gründlich desinfiziert, aber sonst in keinem besonders einladenden Zustand. An die linke Wand hatte jemand »Friede den Hütten« gesprüht. In fettem Rot. Gegenüber stand »Fuck off«, auch in Rot, dafür aber wesentlich größer. Zwei der vier Fenster waren eingeschlagen, die anderen beiden undicht. Genau wie das Dach. An zwei Stellen hatten sich feuchte Flecken kreisrund ausgebreitet und der Schimmel war auch schon da. Der Elektrik durfte man längst nicht mehr trauen, und um das Bad hatte sich Billy erst einmal gedrückt. Den Spaß wollte er sich zum Dessert aufheben.
Das Bad war übrigens Marke Eigenbau. Billys Vater hatte die Datsche noch im ersten Sommer um einen kleinen Anbau erweitert, in dem sich fortan der Sanitärbereich befand. Er hatte ihn eigenhändig in Beton gegossen, ein Klo, ein Waschbecken und eine Duschkabine mit integriertem Boiler eingebaut. Sogar an ein Fenster hatte er gedacht. Was im Sommer allerdings wenig brachte. Wenn es heiß war und die Luft stand, war das Lüften nach dem Stuhlgang purer Aktionismus.
Billy hatte das Fenster im Bad zu Beginn seiner Putzaktion trotzdem aufgerissen. Obwohl es bereits seit Tagen drükkendund schwül war. Doch selbst eine ganze Dose Raumspray konnte gegen den Gestank nichts ausrichten, der aus dem Bad in seine Nase zog. Und es wurde bis zum Ende des Tages nicht besser. Der Junkie hatte sich anscheinend immer dann ins Bad zurückgezogen, wenn seine Laune kurz vor dem Höhepunkt war. Die Kloschüssel war aus der Verankerung gerissen und hatte keinen Deckel mehr. Das Waschbekken lag zertrümmert am Boden. Der Spiegel war weg, die Dusche als solche nicht mehr zu erkennen, das Licht kaputt und über all dem Chaos klebte eine zentimeterdicke Schicht aus organischer Materie, vornehmlich in den Farbkombinationen schwarzbraun und rötlich bis Sahara. Die Fliegen fanden es geil. Die Würmer und Maden noch geiler.
Den ganzen Tag über hatte Billy nachgedacht, wie man aus diesem Scheißhaus wieder ein Haus zum Scheißen machen könnte. Sprengen und neu bauen wäre sicherlich das Vernünftigste gewesen, ohne ein paar Stangen Dynamit aber nicht zu machen. Und die hatte Billy dummerweise gerade nicht da. Obwohl er Hausbesetzer war. Daher entschied er sich notgedrungen für die Kärcher-Lösung.
Die Kärcher-Lösung hatte Hand und Fuß und zeugte von deutscher Gründlichkeit. Am nächsten Morgen wollte sich Billy einen Hochdruckreiniger und einen neuen Kanister Desinfektionsmittel besorgen. Dann würde er mit einer Bohrmaschine, Hammer und Meißel ein ordentliches Loch in die Außenmauer des Klohäuschens schlagen. Genau auf Bodenhöhe. Er würde den Druckregler auf max.! drehen, und die ganze Schweinerei mit über 100 bar nach draußen schwemmen. »So ein Leben als Hausbesetzer ist ganz schön unappetitlich«, dachte er sich noch, bevor er mit einem leichten Rausch von vier Bieren und daher doch zufrieden einschlief.
Nix bei OBI.
Billy hatte gerade den Durchbruch durch die Außenwand des Badezimmers geschafft, als sein bester Freund Florian mit seinem Motorrad vor dem Haus angefahren kam. Billy ging ihm entgegen, wischte sich den Schweiß aus dem Gesicht und bemerkte, daß seine Hände zitterten. Vor allem die rechte. Die Mauer hatte sich als echtes Biest entpuppt. Volle zwei Stunden mußte er an ihr herumbohren und -meißeln, bis er endlich das Loch hatte, das er wollte. Seine Begrüßung fiel dementsprechend kraftlos aus. Aber dafür nicht weniger herzlich. Er freute sich immer, wenn er Florian sah.
»Was stinkt denn hier so?« wollte Florian wissen, als er mit Billy zur Tür reinkam.
»Das kommt aus dem Bad«, sagte Billy knapp.
»Wohnt der dann auch hier?«
»Wer?«
»Der Gestank«, erkundigte sich Florian.
»Sehr
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