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Das weisse Kaenguruh

Das weisse Kaenguruh

Titel: Das weisse Kaenguruh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Praxenthaler
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die sage ich erst, wenn du ruhig bist und sofort aufhörst, hier Streß zu machen.«
    Billy reagierte nicht. Er war eigentlich schon tot.
    »Sieh mal«, ging es ungeachtet seines Zustandes weiter. »Weil ich die Kaffeemaschine genommen habe, und davon haben wir schließlich alle was, und wenn ihr ein bißchen größer seid, ihr natürlich auch. Dann wollt ihr ja auch euren Kaffee, oder etwa nicht? In jedem Fall habe ich etwas ganz Tolles für dich dabei. Hör mal zu jetzt endlich. Für den Bären habe ich nämlich nicht nur die Kaffeemaschine bekommen, sondern auch noch einen Preis obendrauf. Ich durfte mir noch etwas aussuchen. Und da habe ich natürlich sofort an dich gedacht.«
    Hans Büttgen stand vor seinem Sohn. In Stoffhosen und einem Kurzarmhemd aus Ballonseide und in Flieder. Angetrunken, ahnungslos und absolut ohne Lust auf Probleme.Billy dagegen hockte auf dem Boden. Zusammengekauert und tränennaß. Und er fragte sich in einem fort, warum das nur so weh tat.
    »Hier«, sagte sein Vater schließlich. »Schau mal, was ich für dich habe. Eine Wasserpistole! Die gab es noch dazu. Zur Kaffeemaschine. Und du brauchst doch eine, oder? Hast du selber gesagt. Alle haben eine Wasserpistole, hast du gesagt, nur du nicht. Da werden die anderen aber staunen, das sag ich dir. Da müssen sie sich aber warm anziehen, im Freibad. Peng! Peng!«
    Die Wasserpistole war blau, und Billy schaute sie nicht mal an.
    »Jetzt freu dich halt ein bißchen«, sagte sein Vater und meinte es ernst.
    Billy freute sich nicht. Er bewegte sich auch nicht mehr. Er fühlte sich einfach nur noch toter als eh schon.
    »Das soll einer verstehen«, sagte sein Vater da und schüttelte den Kopf. »Was bist du denn so bockig? Aber wie du meinst. Wer nicht will, der hat schon.«
    Dann ging er an Billy vorbei ins Haus und nahm die Wasserpistole mit.
    »Uschi«, schrie er noch, als er im Flur stand. »Komm mal her. Hier braucht jemand seine Mutter.«

Billy Datschke.
    Mit 19 und Abitur zog Billy von zu Hause aus und wurde Hausbesetzer. Zwar nicht in Hamburg in der Hafenstraße, sondern nur in Troisdorf-Oberlar, aber immerhin. Seine Eltern besaßen dort eine kleine Datsche, unweit der A 59, keine fünf Minuten von der Autobahnausfahrt Spich entfernt, und damit in Sichtweite zum einzigen und wirklichen Wahrzeichen der Stadt, der vermeintlich ewigen Bauruine namens Kaiserbau. Dort lag, recht versteckt und eingebettet zwischenEisenbahnschienen und einer holprigen Schotterstraße, ein etwa 300 Quadratmeter großes und mittlerweile völlig verwildertes Grundstück, in dessen Mitte ein bescheidenes, baufälliges Häuschen stand. Und dieses Häuschen sollte von nun an Billys neue Heimat werden.
    Viele Jahre lang hatte die Datsche der Familie Büttgen als beliebtes Ausflugsziel gedient. Besonders im Sommer und am liebsten am Wochenende wurden hier die schönen Stunden des Tages totgeschlagen. Man mußte nicht weit fahren, wurde von keinem gestört und durfte sich fühlen wie im Dehner-Gartencenter. Billys Vater kümmerte sich um das Haus und das Grillfleisch, Thomas um seine stets mitgebrachte Sammlung unzähliger Siku- und Matchboxautos, und Billy half am liebsten seiner Mutter bei der Gartenarbeit. Die Familie wohnte damals noch in einer Vier-Zimmer-Küche-kleines-Bad-Neubauwohnung in der Lohmarerstraße, allerdings im dritten Stock unter dem Dach und somit ohne Zugang ins Freie. Selbst einen Balkon gab es in der Mansarde nicht. Daher leistete man sich – auch auf besonderen Wunsch von Uschi Büttgen – dieses kleine Stückchen Grün, damit das Leben in den eigenen vier Wänden nicht noch trister wurde, als es im Grunde eh schon war.
    Dann änderten sich bekanntlich die Zeiten. Dank des Erbes von Oma Elisabeth gab man sich wohlhabend und man konnte es sich leisten. Hans Büttgen setzte den Blinker, zog auf die finanzielle Überholspur, wurde Unternehmer und gründete sein »Autoparadies mit Herz«. Mit gravierenden Folgen für die in langen Jahren gewachsene, büttgensche Datschenkultur. Mit dem Umzug in die Frankfurterstraße war im Selbstverständnis dieses Mannes mit einem Mal kein Platz mehr für die pittoreske Bescheidenheit einer Existenz als Schrebergärtner. Der Hans wollte plötzlich wer sein. Und das, bitteschön, sollte jeder sehen.
    Die Immobilie, die sich Billys Vater für sein Unternehmenausgesucht hatte, glich dem rasanten Aufstieg in eine andere soziale Liga. Zusätzlich zu der Werkstatt samt angegliederter Tankstelle, die er kaufte und in

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