Das weisse Kaenguruh
verabschiedete.
Am Ende schaffte Billy es dann doch noch. Mit dreißigminütiger Verspätung, leicht abgehetzt und mit dreckigen Fingernägeln kam er an der Uni an, fand erstaunlich schnell einen Parkplatz und stand kurze Zeit später vor der Tür zum Hörsaal. Unterwegs hatte er sich noch schnell einen Kaffee aus dem Automaten gezogen, und obwohl er bereits fast die Hälfte der Übung verpaßt hatte, verfiel er nicht in Hektik. »Erst mal ankommen«, dachte er sich, ließ den College-Block auf den Boden fallen, setzte sich auf den Flur, stellte den Kaffee ab und zündete sich eine Kippe an. Overstolz hieß die Marke, die er zu dieser Zeit rauchte, und das nicht etwa aus Gründen des besonderen Geschmacks, sondern ausschließlich deshalb, weil Orange schon immer seine Lieblingsfarbe gewesen war.
Der Kaffee schmeckte trotz doppelter Portion Zucker furchtbar, die Overstolz dagegen herrlich.
Dann hörte er auf einmal Schritte. Jemand kam den Gang herunter. Billy hob den Blick und schaute nach links. Es war eine Frau. Nanu, dachte er. Ich mal nicht der letzte?
Die Frau kam nun näher, und Billy schaute ihr dabei zu. Sie trug ein blaues Kleid, das bis kurz über die Knie reichte und saß. Ihre Füße steckten nackt in roten Stiefeletten. Das Haar fiel ihr in wilden Locken über die Schultern und war leuchtend brünett. Ihr Gang war fest und zielstrebig, und Billy bemerkte, wie sich ihre Brüste bei jedem Schritt rhythmisch auf und ab bewegten. Ganz leicht. Sehr sexy. Perfekt. Außerdem hielt sie eine Plastiktüte in der Hand.
Billy hatte die Frau noch nie gesehen. Jedenfalls nicht in der Statistik-Übung, da war er sicher. Sie wäre ihm bestimmt aufgefallen. Er saß schließlich immer noch in der letzten Reihe. Daran hatte sich seit Beginn seines Studiums nichts geändert. Im Gegenteil. Noch weiter hinten ging nicht.
Die Frau schien jetzt direkt auf Billy zuzusteuern. Instinktiv nahm er Haltung an. Er rutschte mit dem Hintern dicht an die Wand und richtete den Oberkörper auf. Dazu schloß er die Beine und schlug sie übereinander. Das hier war schließlich eine Frau, und er war kein Prolet.
Jetzt war sie ganz nah. Vielleicht zehn Meter noch, und Billy hatte den Eindruck, daß sie mit jedem Schritt schöner wurde. Ihre Hüften waren weiblich, ihre Beine etwas länger als der Oberkörper und ihre Haut reflektierte das Licht. Außerdem bemerkte er, daß sie auf einmal anfing zu lächeln. Spätestens da wurde er nervös.
Und dann passierte es. Auf einmal stand sie vor ihm. Ganz nah und selbstverständlich. Sie blieb einfach vor ihm stehen, und sie lächelte immer noch. Die Frau im blauen Kleid und mit der Plastiktüte in der Hand. Sie lächelte ihn an. Niemanden sonst.
»Hallo«, sagte sie und stellte ihre Tüte ab.
»Hallo«, antwortete Billy und fühlte sich plötzlich wie dreizehn.
Verdammt, war diese Frau schön! Ihr Mund war voll und strotzend, ihre Nase lang und gerade und ihre Wangenknochenstanden selten hoch. Ihre Haut war elfenbeinfarben und schien nicht eine einzige Pore zu haben, so glatt war sie. Ihre Augenbrauen liefen als zwei filigrane Bögen nach außen, weit und immer weiter und schufen damit Platz für ihre Augen, die tiefbraun waren wie ein Moorsee und sagenhaft groß. So groß und dabei so weit, daß sich Billy sofort darin verlor und am liebsten nie wieder von dort zurückgekehrt wäre.
»Ist das der Hörsaal, wo der Schliebusch seine Statistik-Übung hält?«
»Äh, ja«, stammelte Billy, als er sich wieder halbwegs gefangen hatte. »Schliebusch. Statistik. Das ist hier.«
»Gleich beim ersten Versuch. Toll, was?«
»Ja, toll. Wirklich.«
»Und wie lange geht die Übung noch?«
»Gute dreiviertel Stunde, vielleicht«, sagte Billy, ohne auf die Uhr zu schauen. »Lohnt sich also nicht mehr wirklich.«
»Glaubst du!« sagte die Frau und lachte laut auf. »In zwei Minuten bin ich wieder da. Und ich schwöre dir, dann ist nichts mehr so wie vorher. Aber trotzdem danke.«
Dann nahm sie die Plastiktüte wieder in die Hand und ging zur Tür. Ihre Schritte schienen unaufhaltsam nur auf ein Ziel zuzugehen, und ihre Laune raste. Billy konnte es spüren. Die Frau strahlte aus.
An der Tür drehte sie sich noch einmal kurz um. »Zwei Minuten«, sagte sie und machte das Peace-Zeichen. »Schau auf die Uhr.«
Billy schaute wieder nicht auf die Uhr. Er sagte auch nichts. Er blieb einfach nur sitzen, regungslos, und schaute die Frau mit offenem Mund und von schräg unten an. Bis sie die Tür zum
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